- Berlin
- Mietenwahnsinn
Mietspiegel verzerrt das Bild von Potsdams Wohnungsmarkt
Linksalternative Wählergruppe »Die Andere« sieht weiter Bedarf für einen Mietendeckel
Nur 133 Wohnungsangebote in Potsdam sind beim Internetportal Immobilienscout24 verzeichnet. Das ist so gut wie nichts in einer Stadt mit 183 000 Einwohnern. Trägt man als seine Obergrenze eine immer noch happige Kaltmiete von 700 Euro ein, sind es bloß noch 63 Angebote – und das sind dann oft überteuerte Miniapartments. Bezahlbare Wohnungen werden fast ausschließlich zum Tausch offeriert. Die kommunale Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam und die Wohnungsgenossenschaften der Stadt, die im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen organisiert sind, verlangen im Schnitt eine relativ günstige Nettokaltmiete von 6,19 Euro je Quadratmeter. Bei ihnen beträgt der Leerstand aber lediglich 1,9 Prozent. Dort ist also kaum etwas zu finden. Nebenbei bemerkt sind die 6,19 Euro im BBU-Vergleich der höchste Wert in Brandenburg und es sind neun Cent mehr als vor einem Jahr.
So sieht es aus auf dem Wohnungsmarkt der Landeshauptstadt. Seit Mittwoch gilt dort ein neuer Mietspiegel. Dafür wurden die Daten für über 31 000 Wohnungen zusammengetragen und so ortsübliche Vergleichsmieten ermittelt. Diese Vergleichsmieten haben eine rechtliche Bedeutung für Eigentümer, die mehr Miete verlangen wollen sowie für Mieter, die sich dagegen wehren. Unterschieden wird nur nach Alter und Ausstattung der Quartiere. Hier pendeln die Werte zwischen 5,11 Euro und 11,25 Euro je Quadratmeter. »Entgegen landläufiger Behauptungen hat keine Mietenexplosion stattgefunden«, behauptet Gunter Knierim vom örtlichen Haus- und Grundeigentümerverein. Die privaten Vermieter hätten die Mieten nur in einem sozialverträglichen Ausmaß erhöht.
Keine Preisexplosion im Plattenbau
In den Internetportalen finden sich nur wenige, teure Wohnungsangebote, weiß Jörn-Michael Westphal, Geschäftsführer der kommunalen Pro Potsdam. Die durchschnittliche Nettokaltmiete in seinem Unternehmen liege jedoch mit 6,68 Euro je Quadratmeter deutlich unter dem Mittelwert des Mietspiegels. Mit diesem Mietspiegel sei die gebremste Entwicklung der Mieten statistisch nachgewiesen.
Bei Holger Catenhusen vom Mieterverein hört sich das schon ganz anders an: »Der Mietspiegel belegt, dass das Preisniveau in Potsdam weiter angezogen hat.« Catenhusen ergänzt aber: »Erfreulicherweise allerdings nicht in jedem Segment.« Denn die Mieten für in der DDR gebaute Wohnungen, insbesondere für Plattenbauwohnungen, sind insgesamt stabil geblieben. Deutlich verteuert hat sich, was vor dem Zweiten Weltkrieg und nach der Wende gebaut wurde.
Damit aber nicht genug. »Dieses Bild ist natürlich stark geschönt«, sagt Lutz Boede von der linksalternativen Wählergruppe »Die Andere« über den Mietspiegel zu »nd«. Noch in der DDR abgeschlossene, teilweise 50 Jahre alte Mietverträge verzerren seiner Einschätzung nach die Zahlen. Die Mieten konnten bei solchen Mietverträgen noch nicht so stark angehoben werden. Wenn aber die Mieter in absehbarer Zeit ins Pflegeheim müssen oder sterben, würden ihre Wohnungen gleich zehn Prozent teurer neu vermietet, so Boede.
Bürgerbegehren in der Prüfphase
Lutz Boede und andere, darunter auch Genossen der Linkspartei, haben 17 322 Unterschriften für einen Potsdamer Mietendeckel gesammelt und Ende Mai im Rathaus abgegeben. Im Moment prüfe das Innenministerium die Zulässigkeit des Bürgerbegehens für einen Mietendeckel, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Erst danach werden die eingereichten Unterschriften durchgesehen, ob sie gültig sind. Da ein allgemeiner Mietendeckel für Berlin 2021 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, verlangt das Potsdamer Bürgerbegehren nun lediglich, dass bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam Mieterhöhungen künftig auf maximal ein Prozent innerhalb von fünf Jahren begrenzt werden. Der Clou dabei: Über die im Mietspiegel festgehaltenen ortsüblichen Vergleichsmieten würde sich die Zurückhaltung der Pro Potsdam auf dem gesamten Wohnungsmarkt preisdämpfend auswirken. Dem Eindruck, dass die Pro Potsdam anscheinend gar nicht so zulangt, widerspricht Boede. Teilweise nehme diese doch auch schon 14 Euro für den Quadratmeter.
Für Linksfraktionschef Stefan Wollenberg zeigt der neue Mietspiegel, der den vorherigen aus dem Jahr 2020 ersetzt, »dass die intensiven Bemühungen der Linken zur Begrenzung des Mietanstiegs Früchte tragen – vor allem im Bereich der städtischen Wohnungsgesellschaft und der Genossenschaften«. Die Preise stiegen vor allem für Neubauten. »Wir werden uns darauf konzentrieren müssen, die Genossenschaften und die Pro Potsdam in die Lage zu versetzen, auch hier einen wirksamen Beitrag zur Preisdämpfung leisten zu können«, denkt Wollenberg. »Der Umgang mit Bauflächen und Baurechten ist dazu aus unserer Sicht ein wichtiger Schlüssel.«
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