Ein Fichtenfriedhof als Urwald

Verheerender Waldbrand lässt Kritik an Nationalpark Sächsische Schweiz aufflammen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Flammen sind gelöscht. Dreieinhalb Wochen hatte ein aus dem böhmischen Teil des Gebirges übergegriffener Waldbrand in Teilen der Sächsischen Schweiz gewütet. 850 Feuerwehrleute hatten unter Aufbietung aller Kräfte und mit Unterstützung von 13 Hubschraubern und schwerem Gerät dagegen angekämpft. Am Freitag konnte das Landratsamt Pirna schließlich mitteilen, bis auf vereinzelte Glutnester sei das Feuer gelöscht. Der Katastrophenalarm wurde aufgehoben.

Frisch aufgeflammt ist indes eine Debatte darüber, inwieweit der Brandschutz künftig verbessert werden muss, wie weit entsprechende menschliche Eingriffe gehen dürfen und ob das mit dem strengen Schutzstatus als Nationalpark vereinbar ist. Der 16 000 Mitglieder zählende Sächsische Bergsteigerbund (SBB) fordert ein »Umdenken«; eine kürzlich in der Stadt Hohnstein gegründete Bürgerinitiative hält die jetzt notwendigen Maßnahmen für »sehr schwer bis nicht vereinbar« mit den gesetzlichen Vorschriften für einen Nationalpark und plädiert dafür, den Status preiszugeben.

In der Sächsischen Schweiz mit ihren zerklüfteten Sandsteinmassiven und engen Gründen wurde 1990 ein Nationalpark eingerichtet, der eine Fläche von 9350 Hektar umfasst und der einzige in Sachsen ist. Die angrenzende Region in der Böhmischen Schweiz ist ebenfalls Nationalpark. Gemäß internationalen Regularien hat der Naturschutz oberste Priorität. »Naturvorgänge« sollten »in ihrer natürlichen Dynamik möglichst ungestört ablaufen können«, betont Sachsens Umweltministerium. Das gilt insbesondere für die Kernzone, eine Fläche von derzeit 2160 Hektar.

Zu den »Naturvorgängen«, die zuletzt zu beobachten waren, gehörte indes ein massives Waldsterben. Die Sächsische Schweiz ist zu großen Teilen durch Fichtenwälder geprägt, die aufgrund von Trockenheit und Invasionen von Borkenkäfern großflächig abgestorben sind. Wegen der Gefahr umstürzender Bäume waren zeitweise rund 90 Kilometer Wanderwege gesperrt worden, was massive Kritik bei Verbänden wie dem SBB hervorrief. Jetzt gibt es Debatten um die Frage, ob die große Menge an Totholz als Brandbeschleuniger gewirkt habe. Der Tharandter Forstwissenschaftler Andreas Roloff machte in der »Sächsischen Zeitung« zwar eher die dicke Torfschicht verantwortlich, in der sich Glutherde unbemerkt ausbreiten und lange halten konnten. Der Pirnaer CDU-Landrat Michael Geisler dagegen betonte, auf das Totholz angesprochen, die »Brandlast« im Nationalpark sei hoch: »Das ist unstrittig.«

Das Umweltministerium will nun Wissenschaftler mit der Materie betrauen. Sie sollen analysieren, wie der Brandverlauf durch Totholz beeinflusst wurde und ob es Unterschiede zu Waldbränden in bewirtschafteten Wäldern gebe, sagte Umwelt-Staatssekretärin Gisela Reetz (Grüne). Allerdings warnte sie unabhängig von den Ergebnissen vor überzogenen Erwartungen. Es sei »kaum zu bewerkstelligen, auf mehreren Tausend Hektar und in teils unzugänglichen Gebieten das Totholz umfassend zu beseitigen«. Zudem betonte sie, dass alle Schlussfolgerungen »vor dem Hintergrund getroffen werden, dass es sich um einen Nationalpark handelt«.

Dagegen fordern etwa die Bergsteiger nicht nur die Beseitigung der toten, sondern auch die Anpflanzung neuer Laubbäume, die Bränden besser trotzen. Dazu solle die »forstliche Ruhezone« deutlich verkleinert werden, sagt SBB-Chef Uwe Daniel. Fichten-Monokulturen seien »nie eine ursprüngliche Natur gewesen und sollten auch nicht als solche behandelt werden«. Hohnsteins Bürgermeister Daniel Brade (SPD) stichelt, ein Wirtschaftswald voller Fichten werde auch »nicht durch liegen gelassenes Totholz zum Urwald«.

Der Stadtrat von Hohnstein drängte freilich schon im September 2021, lange vor dem Brand, darauf, sich vom Nationalpark zu verabschieden und einen weniger streng geschützten Naturpark auszuweisen. Verwiesen wurde darauf, dass die strengen Regularien zum Naturschutz der wirtschaftlichen Entwicklung entgegenstünden. Auch die Bürgerinitiative stellt fest, das Modell Nationalpark sei »für die Kulturlandschaft Sächsische Schweiz gescheitert, da es die jahrhundertelange gestaltende Wirkung des Menschen außer Acht lässt«. Wie aussichtsreich solche Bemühungen sind, ist indes offen. Staatssekretärin Reetz jedenfalls betont, dass die Region auch als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet und europäisches Vogelschutzgebiet »umfassend geschützt« sei.

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