Monopoly in Deutschlands Städten

Die Linke-Mietenpolitikerin Caren Lay warnt in ihrem neuen Buch vor der Spaltung der Gesellschaft durch die Wohnungsfrage

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

»Monopoly« ist weltbekannt. Das Ziel des urkapitalistischen Spiels: möglichst viele Straßen kaufen, Häuser bauen und den Mitspieler*innen möglichst viel Miete abknöpfen. Am Ende ist eine*r steinreich, die anderen sind bankrott. An einem Spieleabend ist das vielleicht lustig, doch für eine ganze Gesellschaft taugt das Prinzip nicht. Allerdings scheint es angesichts der Mietenexplosion der letzten Jahre, dass die Immobilienwirtschaft in den Großstädten »Monopoly« spielt. Allein von 2015 bis 2021 stiegen die Preise bei Neuvermietungen in Berlin um 44 Prozent, in Heidelberg waren es 41 und in München 31 Prozent.

»In unseren Städten wird ›Monopoly‹ gespielt. Wo Helgas Eckkneipe war, zieht Starbucks ein, Ahmets Späti muss einem Feinkostladen weichen. Wo früher Menschen in alten Lagerhallen tanzten, stehen nun Büros und Townhouses«, schreibt Caren Lay in ihrem dieser Tage erscheinenden Buch, dem sie den Titel »Wohnopoly« gab. Am Donnerstag stellte sie es zusammen mit dem Präsidenten des Deutschen Mieterbunds (DMB), Lukas Siebenkotten, in Berlin vor.

Für Siebenkotten ist Lay »eine der engagiertesten Wohnungspolitikerinnen im Parlament«. Die Soziologin ist seit 2009 für die Linkspartei im Bundestag, seit 2016 ist sie Sprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik ihrer Fraktion und setzt sich schon seit längerem für einen Mietenstopp und soziales Wohnen ein. Denn die Wohnungsfrage ist für sie die große soziale Frage unserer Zeit.

»Deutschland ist zu einem Eldorado für Wohnungsspekulation geworden«, so Lay. Und dies spalte das Land. »Hier die armen, dort die reichen Viertel. Die Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen ist schon lange spürbar, jetzt sind Durchschnittsverdiener*innen dran«, schreibt sie. Die Mietenkrise habe die Mittelschicht erreicht. »Menschen, die viele Immobilien besitzen, dürfen sich hingegen freuen, denn sie werden immer reicher, ohne etwas dafür zu tun.«

Das Problem ist nicht vom Himmel gefallen. Laut Lay ist es die Folge politischer Fehlentscheidungen. Zwei waren da besonders gravierend: 1990 schaffte die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) die Wohnungsgemeinnützigkeit ab, die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften wie Genossenschaften Steuervorteile gegenüber profitorientierten Immobilienkonzernen gewährte. »Sie besiegelte die Abkehr der Politik vom Gemeinwohl«, schreibt die Linke-Politikerin. Der zweite Kardinalfehler war die Unternehmenssteuerreform von 2000 unter Gerhard Schröder (SPD), wodurch Gewinne aus dem Verkauf von Aktienpaketen oder Tochtergesellschaften steuerfrei wurden. Dem Finanzkapital wurde laut Lay damit »gewissermaßen der rote Teppich auf dem Weg zur Spekulation ausgerollt«. Hinzu kam der Verkauf öffentlichen Wohnungsbestands an private Investoren.

Dass sich trotz der allgegenwärtigen Probleme nichts ändert, liegt für Lay an einer schwachen Politik und einer starken Lobby. So verfügt die Immobilienwirtschaft über eine Armee von 144 hauptamtlichen Lobbyist*innen und ein jährliches Budget von schätzungsweise 8,27 bis 8,57 Millionen Euro, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Auf der Seite der Mieter*innen und Wonhungslosen stehen dagegen lediglich elf Hauptamtliche mit einem Budget von maximal 210 000 Euro.

So ruft Lay am Ende ihres Buchs zur Schaffung einer starken Mieter*innenbewegung auf. Denn Maßnahmen zur Eindämmung der Immobilienspekulation und der Schaffung eines sozialeren Wohnungsmarktes wie die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, die Stärkung von Genossenschaften, die Rekommunalisierung von Wohnungen und die Einführung eines »atmenden Mietendeckels« könnten nur mit »Druck von unten« durchgesetzt werden. »Die Entscheider*innen müssen die Mietenbewegung mehr spüren als die Macht der Lobby«, so Lay.

Dabei macht die Linke-Politikerin laut DMB-Präsident Siebenkotten in ihrem Buch »eindrucksvoll klar, wie wichtig es ist, dass alle, die sich für bezahlbares Wohnen und die Rechte der Mieter*innen einsetzen, angesichts der übermächtigen Gegenseite unbedingt zusammenarbeiten sollten, weil sie sonst keine Chance hätten«. Das Buch möge viele Leser*innen gewinnen, »die an klaren Positionen interessiert sind«, so Siebenkotten.

Caren Lay: Wohnopoly. Westend Verlag, 208 Seiten, 20 €.

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