Ein großes Wörtchen mitzureden

Die Mitbestimmung der Mieter bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist ausbaufähig

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Der nicht enden wollende Mietenwahnsinn treibt in Berlin regelmäßig viele Menschen auf die Straße.
Der nicht enden wollende Mietenwahnsinn treibt in Berlin regelmäßig viele Menschen auf die Straße.

»Wie die Arbeit der Landeseigenen neu geregelt wird, ist die entscheidende Frage bis Ende des Jahres«, sagt Niklas Schenker am Dienstagabend. Der Mietenpolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hatte zum zweiten Termin seiner Veranstaltungsreihe zu den landeseigenen Wohnungsunternehmen eingeladen. Es ist ein Format, bei dem von engagierten Mietern zu erfahren ist, welche Probleme sie bei den landeseigenen Unternehmen sehen – diesmal beim Thema Mitbestimmung.

Diese kommt in den kommenden Monaten also wieder auf den Verhandlungstisch. Denn bis Ende des Jahres soll unter anderem das Wohnraumversorgungsgesetz neu geregelt werden, welches als Kompromiss zwischen Senat und der Initiative Mietenvolksentscheid entstanden war. Auf seiner Grundlage wurden 2015 die Mieterräte auf der unternehmensweiten Ebene eingeführt, aus denen auch eine Person in den Aufsichtsrat der landeseigenen Unternehmen entsandt wird. Gleichwohl, so weitreichend wie es die Initiative wollte, sind die Rechte der Mieterräte nicht ausgefallen.

»Unser ursprüngliches Ziel war das Gießener Modell«, erklärt Jan Kuhnert am Dienstag, einer der Initiatoren der Initiative und ehemaliger Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin, die als Schnittstelle zwischen Senat und landeseigenen Unternehmen gedacht war. Das Gießener Modell umfasst die beim dortigen kommunalen Wohnungsunternehmen Wohnbau vor fast 30 Jahren eingeführten Mitbestimmungsrechte von Mietern, die deutschlandweit am weitreichendsten sind. Der dortige Mieterrat kann nicht nur Stellung beziehen, sondern auch gegen Investitionspläne der Gießener Wohnbau stimmen, woraufhin ein aufwendiges Verfahren starten müsste. Geschäftsführung und Mieterrat sind somit regelrecht zur Zusammenarbeit gezwungen.

Auch die Gießener Wohnbau ist als GmbH verfasst. In Berlin wird die privatrechtliche Struktur der landeseigenen Wohnungsunternehmen von der SPD als Hindernis für eine weitere Demokratisierung genutzt. So blockierte die Partei im vergangenen Jahr die Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes, mit der die Mieterbeiräte, die schon länger auf der Ebene einzelner Wohngebiete existieren, eine gesetzliche Verankerung erfahren hätten. Begründung: Sie seien nicht mit dem Aktien- und Handelsrecht vereinbar.

»Von allen Forderungen an die Landeseigenen ist die der Demokratisierung jene, die am schwersten umsetzbar scheint, weil dem Staat hier Kompetenzen abgegraben werden«, erläutert die Stadtforscherin Lisa Vollmer. Dabei seien öffentliche Wohnungsunternehmen geradezu prädestiniert für »checks and balances«, also die gegenseitige Kontrolle von gleichberechtigten Organen. Rein selbstbestimmte Strukturen wie Genossenschaften hätten mitunter das Problem, dass sie nicht weiter wachsen, weil Bestandsmieter kein Interesse daran hätten. Bei den landeseigenen Unternehmen könnten im Idealfall einerseits die Interessen der öffentlichen Hand und andererseits die der Mieter gemeinsam verhandelt werden. »Bei der SPD fehlt der politische Wille für eine Demokratisierung«, kritisiert Vollmer. Doch auch bei der Linken habe sie den Eindruck, dass die Demokratisierung vergessen werde, wenn es gelte, andere Forderungen durchzusetzen.

Niklas Schenker macht konkret, wie so eine Kontrolle durch Mietergremien aussehen könnte. Beispiel Zwangsräumungen: Diese haben selbst während der Corona-Pandemie bei landeseigenen Unternehmen stattgefunden, obwohl sie laut der Kooperationsvereinbarung mit dem Senat eigentlich verhindert werden sollen. Mieter mit Mitbestimmungsrechten vor Ort wären deshalb wichtig, um zu garantieren, dass solche Regelungen auch umgesetzt würden, sagt Schenker.

Vollmer weist aber auch darauf hin, dass die Struktur der Unternehmen durchaus ein Problem für die weitere Demokratisierung darstelle. So unterlägen beispielsweise die Mietervertreter in den Aufsichtsräten der Wohnungsunternehmen einer Verschwiegenheitspflicht, die verhindere, dass eine Rückbindung zwischen Mieterräten und Beiräten stattfinden könne. Es bräuchte grundsätzlich eine Änderung der Rechtsform der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Abschauen könne man sich dabei einiges vom Vorschlag der Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen für eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die die zu vergesellschaftenden Wohnungsbestände verwalten soll. Dort habe man auf Papier eine Art Rätestruktur für die Mietermitbestimmung entworfen, erklärt Vollmer. »Die Debatten um die Landeseigenen und Deutsche Wohnen und Co. enteignen müssten zusammen geführt werden«, stimmt ihr auch Schenker zu.

Aber statt um einen großen Aufbruch bei der sozialen und demokratischen Ausrichtung der landeseigenen Unternehmen werde es in den nächsten Monaten eher darum gehen, eine Verschlechterung zu verhindern, erklärt er mit Blick auf den Koalitionspartner SPD. Wohnraumversorgungsgesetz, Kooperationsvereinbarung, das Profil der Wohnraumversorgung Berlin, deren Arbeit zuletzt blockiert wurde – all das soll im Paket verhandelt werden, berichtet der Linken-Politiker. »Es ist sehr viel, um was es da geht.«

Bei der Diskussionsveranstaltung am Dienstag beteiligten sich deshalb auch viele Mieterräte und Beiräte, die sowohl Druck von der Straße als auch ein klares Engagement der Linkspartei forderten. »Ich wünsche mir auch manchmal eine höhere Konfliktfähigkeit meiner Partei«, räumt Schenker ein und verspricht, das Thema Mitbestimmung bei all den Abwehrkämpfen nicht zu vergessen.

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