nd-aktuell.de / 06.09.2022 / Kultur / Seite 1

Fantasievoll gegen Nazis

Jede Menge Horror, Fantastik und Science-Fiction: Heute beginnt in Berlin und München das 36. Fantasy Filmfest

Florian Schmid
Hochkarätig besetzter Psycho-Horror-Film: Olivia Wildes »Don’t Worry Darling«
Hochkarätig besetzter Psycho-Horror-Film: Olivia Wildes »Don’t Worry Darling«

Ab 7. September findet zum 36. Mal das Fantasy Filmfest statt. Los geht es in Berlin und München, eine Woche später sind dann Hamburg, Köln und Stuttgart dran, ab dem 21. September zeigt das Festival sein Programm in Frankfurt am Main und Nürnberg. An insgesamt acht Tagen gibt es bis zu 34 Spielfilme und zehn Kurzfilme. Das Programm reicht von feinfühliger Science-Fiction und antifaschistischer Fantasy über mitunter blutige schwarze Komödien, trashigen Splatter, knallharte Action bis hin zu angsteinflößenden Horrorschockern und Filmen voll düsterer Gewalt.

Mit einem regelrechten Knaller wird das Festival in der Berliner Kulturbrauerei und in den Münchner Citykinos am Mittwoch eröffnet. Der hochkarätig besetzte Science-Fiction-Film »Don’t Worry Darling« der Regisseurin Olivia Wilde, in dem unter anderem Harry Styles, Chris Pine und Florence Pugh zu sehen sind, erinnert mit seinem Psycho-Horror ein wenig an »Die Frauen von Stepford« und erzählt von einer geheimnisvollen Wissenschaftler-Siedlung inmitten der Wüste und Experimenten im Grenzbereich der Realität. Gerade mal zwei Tage zuvor hatte der Film seine Weltpremiere auf den Filmfestspielen von Venedig und ab dem 22. September ist er bei uns in den Kinos zu sehen.

Neben diesem Hollywood-Blockbuster wartet das Festival vor allem mit zahlreichen Genre-Filmen auf, die deutlich weniger aufwendig produziert sind, aber sehr hohen Kultfaktor entwickeln können. So etwa die aus Belgien stammende feministische Independent-Komödie »Employee of the Month«, die von zwei Frauen erzählt, die genug vom sexistischen Büroalltag, der ungleichen Bezahlung und den widerwärtigen Mackern am Schreibtisch nebenan haben und sich tatkräftig zur Wehr setzen, was ziemlich blutig wird und mit einer verblüffenden Wendung endet. Überhaupt gibt es einige politische Filme, wie etwa auch den italienischen Fantasy-Streifen »Freaks Out«, der in einem Zirkus während des Zweiten Weltkriegs angesiedelt ist. Der Film läuft ebenso wie »Employee of the Month« in der Sektion »Fresh Blood«, in der die Filme junger, unbekannter Regisseur*innen gezeigt werden. Das fast zweieinhalbstündige Opus »Freaks Out« mit vielen diversen Charakteren ist ein antifaschistisches Märchen, in dem einige Artisten zusammen mit Partisanen gegen Nazis und Faschisten zu Felde ziehen. Das alles ist sehr bunt, kurzweilig und am Ende fast etwas zu actionmäßig inszeniert, aber durchaus sehenswert.

Auch die Neue Rechte ist auf dem Fantasy Filmfest zu sehen und erlebt dort eine kritische Bearbeitung. In »American Carnage« werden nicht-weiße Jugendliche in den USA von der berüchtigten Einwanderungsbehörde ICE brutal festgesetzt und mit Abschiebung bedroht, während ein rechter Politiker mit Cowboyhut und rassistischen Sprüchen durch die Medien geistert. Statt Abschiebung wird den Jugendlichen gemeinnützige Arbeit in einem Altersheim angeboten, nur dass dort der blanke Horror auf sie wartet. Überhaupt geht es in den Filmen immer wieder um Gewalt, die im Alltag lauern kann, so auch im diesjährigen »Centerpiece« des Festivals, dem dänischen Streifen »Speak No Evil«. Der erzählt anfangs recht unaufgeregt und harmonisch von einer netten Urlaubsbekanntschaft zweier Familien irgendwo in Italien. Als aber die eine Familie die andere übers Wochenende besucht, werden schnell Grenzen überschritten, ohne dass dies, den Konventionen der Höflichkeit gemäß, benannt werden darf. Am Ende erweisen sich die Gastgeber als durchgeknallte gewalttätige Psychopathen. Der Film hat einen hohen und fast verstörenden psychologischen Eskalationsfaktor.

Neben reichlich horrormäßiger Gewalt gibt es in diesem Jahr wieder etwas mehr Science-Fiction auf dem Fantasy Filmfest zu sehen. Das reicht vom südkoreanischen Film »Alienoid«, der asiatische Kampfkunst mit trashiger Science-Fiction mischt, bis hin zum Arthouse-Blockbuster »After Yang« mit Colin Farrell, in dem sehr langsam und fast etwas zu beschaulich von den Erinnerungen eines Androiden erzählt wird. Wobei sich der kammerspielartige und sehr einfühlsame Film wohltuend von anderen Herangehensweisen an das Thema Künstliche Intelligenz abhebt und eher nebenbei eine urbane Zukunft voller nachhaltiger, ökologischer Lebensweisen entwirft. Aber auch zwei Filme von Justin Benson und Aaron Moorhead sind zu sehen. Neben ihrem atmosphärisch dichten Science-Fiction-Film »The Endless« von 2017, den es exklusiv in Berlin im Zeiss-Planetarium zu sehen gibt, wird auch ihr neuer Streifen »Something in the Dirt« vorgestellt.

Das Fantasy Filmfest wartet aber auch mit satirischen und skurrilen Filmen auf, so etwa mit dem französischen Streifen »Year of the Shark«, der ganz im Stil von »Der weiße Hai« von einem blutrünstig mordenden Riesenfisch vor der südfranzösischen Badeküste erzählt und einer Gruppe nicht ganz ernst zu nehmender Gendarmen, die der Bedrohung zu Leibe rücken wollen. Den Abschluss des diesjährigen Fantasy Filmfests bildet der südkoreanische Film »Emergency Declaration«, in dem es um einen Biowaffenanschlag geht. Der Actionfilm hat vor allem in Zeiten von Corona verstörende Aktualität und ist ein standesgemäßer Abschluss dieses Filmfestivals.