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Redeverbot war rechtswidrig

AfD-Abgeordnetem in Hannover zu Unrecht Wort verweigert

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Wolf stand wieder einmal auf der Tagesordnung des niedersächsischen Parlaments, als dessen Präsidentin Gabriele Andretta (SPD) die aktuelle Stunde an jenem 14. Dezember 2021 aufrief. Unter denen, die sich zu dem grauen Räuber äußern wollten, war auch Klaus Wichmann. Doch er durfte nicht reden. Die Geschäftsordnung lasse dies nicht zu, gab ihm die Präsidentin zu verstehen. Das Reglement besage, dass bei aktuellen Stunden nur Fraktionen ein Rederecht zustehe, auf fünf Minuten sei es begrenzt. Die AfD bildete aber keine Fraktion mehr.

Die rechte Partei hatte diesen Status verloren. Hintergrund waren Querelen der AfD-Parlamentarier untereinander. In der Folge hatten Dana Guth, Jens Ahrends und Stefan Wirtz ihren Austritt aus der Fraktion erklärt. Wirksam werden solche Austritte in der Regel nur, wenn sie von der restlichen Fraktion bestätigt werden. Das geschah im Fall der AfD in Niedersachsen jedoch nicht.

Daraufhin war die Verwaltung des Landtags aktiv geworden, offenbar hatte sie die Nase voll von den Streitereien bei den Rechtspopulisten. Sie hatte ihnen eine Frist gegeben und nach deren Ablauf kurzerhand die Fraktion aufgelöst. Es gibt diese seither nicht mehr, die Abgeordneten gelten als Fraktionslose.

Deshalb war Wichmann das Rederecht verweigert worden. Er klagte – und bekam am Mittwoch Recht: Der niedersächsische Staatsgerichtshof urteilte, dass der AfD-Mann durchaus hätte reden dürfen. Das Gericht teilte nicht die Ansicht des Landtags, der sinngemäß argumentiert hatte: Sofern fraktionslosen Abgeordneten ein weites Rederecht gewährt würde, könnte das ein verzerrtes Bild über die Mehrheitsverhältnisse im Landtag abgeben.

Die niedersächsische Verfassung sichere jedem Abgeordneten einen »Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben zu«, befanden nun die Richter. Jedem Abgeordneten müsse grundsätzlich die Möglichkeit gewährt werden, zu jedem Tagesordnungspunkt reden zu können. Dem Parlament obliege es, durch die Geschäftsordnung zu konkretisieren, was zur Erhaltung seiner Arbeits- und Funktionsfähigkeit erforderlich ist. Dabei komme dem Landtag ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Doch auch dieser erlaube es nicht, »einen Abgeordneten generell und ausnahmslos vom Reden in einer aktuellen Stunde auszuschließen«.

»Unvertretbare Verzerrungen« könne das Parlament dadurch vermeiden, dass es die Redezeit fraktionsloser Abgeordneter in der aktuellen Stunde eng begrenze, jedoch nicht allzu eng. Der Staatsgerichtshof mahnte: Es sei zu beachten, dass der Abgeordnete sein verfassungsmäßiges Rederecht in der ihm gewährten Zeit noch ausüben könne. »Das dürfte bei einer Redezeit von unter einer Minute nicht mehr der Fall sein«, konkretisierten die Juristen.

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