nd-aktuell.de / 18.09.2022 / Kommentare / Seite 1

Propaganda zweier Welten

Marianna Wyschemirskaja war das Gesicht von Russlands Angriff auf Mariupol, heute leugnet sie diesen

Daniel Säwert

Hautcremes, Schminke, Essen und natürlich Reisen – als Beauty-Bloggerin verdiente Marianna Wyschemirskaja ihr Geld damit, im Internet Schönheitsprodukte und ein perfektes Leben anzupreisen. Dazu gehörte auch, ihre Schwangerschaft mit den gut 85 000 Follower*innen auf Instagram zu teilen.

Russlands Angriff auf Wyschemirskajas Heimatstadt Mariupol machte die damals 29-Jährige Anfang März schlagartig berühmt. Das Bild der damals blutbefleckten Hochschwangeren, die aus dem zerbombten Geburtstagshaus fliehen musste, ging um die Welt und zierte viele Titelseiten[1]. Die Bloggerin wurde zum Symbol russischer Gräueltaten.

Das Interesse an Wyschemirskaja verschwand genauso schnell, wie es gekommen war. Mit ihrem Mann zog sie nach Donezk und bloggte wieder über Kosmetik und ihre inzwischen geborene Tochter, zumindest auf Instagram. Bei Telegram zeigt Wyschemirskaja ihre andere Seite. Und die besteht aus der russischen Sicht. In ihrem Kanal teilt sie Beiträge des Fernsehens der Volksrepublik Donezk. Darin bedankt sie sich für die Ärzte aus dem Separatistengebiet, die ihr und ihrer Tochter geholfen haben und berichtet immer wieder über die Opfer ukrainischer Luftangriffe auf die Stadt. Für Aufregung sorgte Wyschemirskaja aber erst, als sie am 1. September in Mariupol zum neuen Schuljahr Luftballons in den Farben der russischen Trikolore verteilte. Wyschemirskajas Reaktion: Sie bedankte sich bei allen Unterstützer*innen und präsentierte kurz darauf ein Interview mit dem russischen Staatssender RT, indem sie über die Zeit nach dem berühmten Foto sprach. Sie habe den Fotografen gebeten, sie nicht abzulichten, sagt sie und erklärt, dass es die Luftangriffe auf das Geburtshaus, die von der OSZE als Kriegsverbrechen bezeichnet werden, nie gegeben habe. Ihre damalige Aussage sei völlig aus dem Kontext gerissen worden.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165148.krieg-in-der-ukraine-ohne-uns-gaebe-es-keine-bilder.html?sstr=mariupol