Zwischen Nostalgie und Zukunftsplänen

Nach Jahren der Unsicherheit wird am Holzmarkt neu gebaut – eine Galerie widmet sich der Vergangenheit

  • Sabrina Lösch
  • Lesedauer: 5 Min.

Neben einem unscheinbaren, längst baufälligen Haus an der Michaelkirchbrücke in Kreuzberg führt der Weg zu einer noch unscheinbareren Brache, direkt neben dem Spreeufer-Quartier »Holzmarkt 25«. Östlich begrenzt das historische Viadukt der S-Bahn das Grundstück. Genau dort, in den Bögen des Viadukts, haben die Betreiber*innen des Holzmarkts eine Pop-Up-Viaduktgalerie errichtet.

Drei Künstler*innen stellen in jeweils einem Viaduktbogen ihre Werke aus. Sie sind die kreativen Köpfe, die das Kulturprojekt am Spreeufer von Anfang an mitgeprägt haben. Skurrile Fotoreihen von Carolin Saage, Veranstaltungsplakate von Steffen Schöler alias »Manekineko« und Werke des Malers und Bildhauers Volker Bartsch stehen im Zentrum der Ausstellung.

Anlässe für die Galerie gibt es mehrere. Zum einen zelebriert die Holzmarkt-Genoss*innenschaft in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Zum anderen läutet die Ausstellung die Premiere des jüngsten Projekts der Clubbetreiber*innen ein: die Buchreihe »Edition Holzmarkt«. Die ersten drei Ausgaben sind den ausstellenden Künstler*innen gewidmet und können vor Ort auch gekauft werden. Ihre Werke rekonstruieren die Geschichte der Clubbetreiber*innen, die lange Zeit von einer ungewissen Zukunft geprägt war. »Wir sind stets auf dem Drahtseil balanciert und hatten so kaum Zeit, zurückzublicken«, sagt Holzmarkt-Sprecher Konstantin Krex. Die Ausstellung sei ein erster Schritt, um das nachzuholen.

Dabei reicht die Geschichte weit über den Holzmarkt 25 hinaus, das Netzwerk dahinter existiert nämlich bereits seit 2004. Damals eröffnete der international bekannte Techno-Open-Air-Club Bar25 auf der damaligen Brache am Spreeufer. Die Betreiber*innen hatten das Grundstück der Berliner Stadtreinigung (BSR) zur Zwischennutzung gepachtet. 2010 mussten sie das Grundstück räumen, da es zum Höchstgebot veräußert werden sollte. Das Berliner Netzwerk zog daraufhin auf die andere Seite der Spree: In einer ehemaligen Seifenfabrik an der Köpenicker Straße führten sie von 2011 bis 2014 den Club »Kater Holzig«. Auch das war von Anfang an lediglich als Zwischenlösung gedacht, berichtet Konstantin Krex. Das Clubnetzwerk wollte nämlich langfristig das alte Gelände zurückgewinnen.

Dazu gründeten sich 2012 zwei Genoss*innenschaften: neben der des Holzmarkts auch die Genoss*innenschaft für urbane Kreativität (GUK). Diese stellt heute das Kapital für sämtliche Projekte zur Verfügung. Im selben Jahr verkaufte der landeseigene Betrieb die begehrte Fläche am Friedrichshainer Spreeufer zum Höchstpreis. »Das war damals noch eine Zeit, in der eine andere Liegenschaftspolitik betrieben wurde als heute«, sagt Krex. Die Genoss*innenschaften erarbeiteten ein Konzept zur Bebauung des Areals, zu dem auch die nördlich vom heutigen Holzmarkt 25 gelegene Brache zählt. Die größte Konkurrenz damals war das Projekt Mediaspree. Deren Vision: das Gelände mit einem Bürokomplex aus Stahl und Glas bebauen.

Bereits 2008, also vier Jahre vor dem Verkauf, forderte der erfolgreiche Bürger*innenentscheid »Spreeufer für alle« in Friedrichshain-Kreuzberg, die Uferprivatisierung zu verhindern. Der Entscheid blieb zwar weitestgehend wirkungslos, setzte aber ein wichtiges Zeichen in der Baukultur Berlins. »Diese Protestbewegung griffen wir auf, um zu zeigen: Wir stehen für eine andere Idee, wie man so ein Ufer entwickeln kann, nämlich ohne Verdrängung von kultureller Nutzung, öffentlich zugänglich und grün«, sagt Krex.

Mit ihrem fertigen Konzept gingen die Genoss*innenschaften auf die Stadt zu und schlugen eine Erbbaupacht vor. Doch die Stadt lehnte ab. Was seit 2016 gang und gäbe ist, war zu dieser Zeit noch unüblich. »Das war die letzte Ära der Sparpolitik, in der landeseigene Liegenschaften zum Höchstpreis privatisiert wurden«, erinnert sich der Holzmarkt-Sprecher. Dafür gelang es den Clubbetreiber*innen, die Schweizer Pensionskassa Abendrot für eine Erbbaupacht zu akquirieren. Laut Krex wolle Abendrot im Gegensatz zu vielen anderen privaten Investor*innen Grundstücke langfristig halten und nicht schnellstmöglich gewinnbringend verscherbeln. »Die haben damals an uns geglaubt, was schon etwas Besonderes war. Plötzlich dürfen eine Handvoll Clubbetreiber*innen eine 12 000 Quadratmeter große Fläche entwickeln«, erzählt er. »Das erfordert Mut.«

Gelohnt hat sich das allemal: Im Jahr 2017 eröffnete schließlich der Holzmarkt 25, auf dessem Gelände sich unter anderem auch der berühmte Techno-Club »Kater Blau« befindet. In der Geschichte der Clubbetreiber*innen ist es das erste Mal, dass sie langfristig planen können, der Pachtvertrag läuft 75 Jahre.

Aus diesem Grund ist auch ein Blick in die Zukunft lohnenswert: Auf dem Areal soll nun ein 60 Meter hohes Holzhochhaus entstehen, in dessen Keller der Club »Kater Blau« einziehen wird. »Das ist schon sehr ambitioniert, einen Club in einem Hochhaus zu errichten. Eine neue Evolutionsstufe der Typologie Club, die der Verdichtung der Stadt Rechnung trägt. Genau deshalb machen wir das«, sagt Krex. Baustart soll 2025 sein. Das »Haus Zwei« des Holzmarkts erhält außerdem einen Anbau von rund 200 Quadratmetern auf drei Etagen plus Dachterrasse. Bis auf das Fundament wird das Gebäude vollständig aus rot gefärbtem Holz errichtet. Damit und durch ein begrüntes Dach will man den CO2-Fußabdruck möglichst gering halten. Der Spatenstich für den Anbau fand an diesem Dienstag statt.

Auch für die Brache nördlich des Holzmarkts gibt es Pläne: Hier entsteht das Joint Venture Bauprojekt »Wieweil« der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) und der Kilian Immobilengruppe (KIM). Das Gebäude soll gleichzeitig Fläche für Arbeiten und günstiges Wohnen bieten. Im »Wieweil« werden sich Vereine, Organisationen und Unternehmen ansiedeln, zusätzlich entstehen etwa 250 Wohnplätze für Studierende und Auszubildende. Das geht aus der Homepage der WBM hervor. Demzufolge sollen auch 40 Prozent des Gebäudeensembles »extensiv« begrünt werden.

Die Clubbetreiber*innen stehen dem Bauprojekt offen gegenüber, doch es löst auch Nostalgie aus: »Damit verschwindet ein Stück wilde Brache, die den Charme des Ortes ausmacht und von denen es heutzutage nur noch so wenige in Berlin gibt.« Konstantin Krex betont aber auch, dass dies keine Wertung des Bauprojekts sei. »Am Ende ist das hier eine Brache, die darauf wartet, bebaut zu werden.« Anlass genug, das Gelände feierlich zu verabschieden – in Form der Viaduktgalerie.

Die Pop-Up-Viaduktgalerie, An der Michaelbrücke 1, ist noch von Donnerstag bis Samstag von 17 bis 21 Uhr geöffnet.

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