Es muss schleunigst etwas passieren

Die sozialökologische Transformation in Deutschland kommt nur schleppend voran, kommentiert Olaf Bandt, und fordert Planungsbeschleunigung ohne Aushöhlung von Rechten.

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Dürren und Überschwemmungen als Folgen der Klimakrise, Gefährdung unserer Versorgung durch jahrzehntelang falsch gesetzte Prioritäten in der Agrar-, Energie- und Verkehrspolitik und die bedrohlichen Rückstände im Arten- und Naturschutz – es kann so nicht weitergehen. Doch die nötigen Veränderungen lassen auf sich warten.

Seit mehr als 30 Jahren versucht der Gesetzgeber, die Planungsverfahren insbesondere im Infrastrukturbereich zu beschleunigen. Keine der Änderungen führte bislang zu einer schnelleren Umsetzung naturverträglicher Projekte.

Olaf Bandt – Klimakolumne
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Planungen von zehn bis 15 Jahren Dauer sind in der Tat zu lang. Weder der Naturschutz noch die Energie- oder die Mobilitätswende können so lange warten. Deswegen hat sich die neue Bundesregierung die Beschleunigung von Infrastrukturplanungen auch als eines der wichtigsten Projekte vorgenommen: 23 Mal wird es im Koalitionsvertrag der Ampel- Parteien erwähnt. Zur »schnellen und qualitativ hochwertigen Umsetzung unserer Beschleunigungsvorhaben« soll »eine ressortübergreifende Steuerungsgruppe unter Einbeziehung der Länder« eingerichtet werden, heißt es dort. Als Ziel wird genannt, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren »mindestens zu halbieren«.

Ein lobenswerter Vorsatz: Wenn er jedoch zum Pauschalangriff auf das Umweltrecht, den Artenschutz und den Rechtsschutz für Umweltverbände genutzt wird und Politik so tut, als lägen hier die größten Probleme für überlange Planungszeiten, dann geht das in die Irre. Die Einschränkung gesellschaftlicher Rechte und des Naturschutzes lösen keine Probleme, sondern schaffen sie. Statt also Umweltgesetze und die Beteiligungsrechte der Umweltverbände einzuschränken, wie es das FDP-geführte Bundesjustizministerium in seinem Gesetzesentwurf plant, müssen Politik und Verwaltung mit den Umweltverbänden zusammen Naturschutzkonflikte früh erkennen und lösen.

Dazu gehört, Prioritäten zu setzen: Naturschutz ist der ideale Partner bei Fragen der sozial-ökologischen Transformation und möglicherweise die beste Messlatte für wirklich nachhaltige Zukunftspolitik. Notwendig ist eine strikte Abgrenzung, Bewertung und Priorisierung von Projekten nach dem Klima- und Umweltnutzen. Hunderte von Projekten zum Beispiel bei der Verkehrsinfrastruktur parallel zu planen, ist das Gegenteil einer solchen zukunftsorientierten Politik. Nur durch eine klare Konzentration auf prioritäre Vorhaben stehen zudem in den Planungs- und Genehmigungsbehörden Kapazitäten bereit und können Belange des Natur- und Klimaschutzes in ausreichender Qualität berücksichtigt werden.

Die Umweltverbände begrüßen beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren für eine klimaneutrale Infrastruktur und ihre naturverträgliche Umsetzung, eine echte Mobilitätswende und die schnellere Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen wie im aktuellen Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz vorgesehen.

Wahr ist aber auch, dass die Versprechungen im Koalitionsvertrag, »die personellen und technischen Kapazitäten bei Behörden und Gerichten« zu »erhöhen«, an der Realität scheitern. Denn es ist hoffnungslos, auf einem leer gefegten Markt von Planer*innen, Ingenieur*innen und einem erst im Aufbau begriffenen Personal in den Naturschutzfachbehörden ausreichend qualifizierte Menschen für tausende Projekte zu finden. Dies setzt eine Bestimmung von vorrangigen Projekten anhand klarer Kriterien voraus.

Wenn dies gelingt, und nur dann, ist echte Beschleunigung greifbar. Allerdings wird auch dies Zeit brauchen. Man muss es realistisch sehen: 20 Jahre politische Verzagtheit bei der sozial-ökologischen Transformation in Deutschland werden nicht im Handumdrehen aufholbar sein.

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