nd-aktuell.de / 29.09.2022 / nd-Commune / Seite 1

Jetzt erst Recht

Kunstwettbewerb des Willi-Münzenberg-Forums lädt zur Preisverleihung ein

Ulrike Kumpe und Mathias Nehls
Geschichten von Flucht vor Armut und Gewalt beeindrucken im prämierten Film »La espera«
Geschichten von Flucht vor Armut und Gewalt beeindrucken im prämierten Film »La espera«

Nun schon zum siebten Mal hat das Willi Münzenberg Forum seinen Kunstwettbewerb durchgeführt. Diesjährige Motto-Geberin ist Clara Zetkin, die wie keine andere für den Kampf der Arbeiterinnen um Gleichstellung und eine klare Antikriegshaltung steht. Gewählt hat das Forum Zetkins Abschiedsworte, als sie die sozialdemokratische Frauenzeitschrift »Die Gleichheit« verließ: »Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!«

Insgesamt 250 junge Künstlerinnen und Künstler haben Arbeiten in den drei Kategorien Fotografie, Collage und Film eingereicht. Das Preisgeld beträgt für jede Kategorie 5000 Euro. In diesem Jahr hat es sich die jeweils dreiköpfige Jury nicht leicht gemacht. In den Kategorien »Benütze Foto als Waffe« und »Erobert den Film« gibt es daher jeweils zwei Gewinner, die sich das ausgelobte Preisgeld teilen. Auf diese Weise werden die Arbeiten von insgesamt fünf Künstlerinnen und Künstlern gewürdigt. Die Preisverleihung und Vorstellung der Arbeiten findet am 30. September im Foyer des Bürohauses am Franz-Mehring-Platz 1 statt.

Benütze Foto als Waffe

Der erste Preis in der Kategorie Foto geht an Ludwig Nikulski und Robin Hinsch.

»Another Sunny Day« lautet der Titel der Fotoserie von Ludwig Nikulski. Sie zeigt Bilder aus Polen entlang der Grenze zur Ukraine. Eine bedrückende Atmosphäre umgibt die eigentlich idyllischen Orte dieser Gegend. Der Krieg ist irgendwie da und trotzdem gewohnt weit weg. Alltag und Ausnahmesituation treffen sich hier. Es sind Orte, an denen der Krieg scheinbar vorbeigeht, Orte, an denen die Welt noch in Ordnung sein könnte, sie es aber trotzdem nicht ist.

Die Arbeit »Wahala« von Robin Hinsch entlarvt die Ausbeutungsmechanismen, die hinter der Gewinnung fossiler Brennstoffe stehen. Er visualisiert, dass es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Zerstörung der Umwelt und der Gewalt gegen Menschen gibt. Er hat in geopferten Zonen fotografiert, an Orten, wo langfristige Schäden an Umwelt und Menschen in Kauf genommen werden, weil sie an anderer Stelle Profite ermöglichen. Er zeigt die Kehrseite des Versprechens auf immerwährendes Wachstum.

Erobert den Film

Den geteilten ersten Preis in der Kategorie Film erhalten Veneta Androva und das Duo Jakob Krese und Danilo do Carmo.

In dem Film »AIVA« inszenierte sich Veneta Androva selbst als weibliche und durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Künstlerin. Ihr Erfinder, ein Galerist, verspricht, dass AIVAs Algorithmen tatsächlich ein kreatives Potenzial entfalten und schöpferische Eigenschaften aufweisen. Sie ist eine Versuchsanordnung, um ein weibliches Genie zu generieren. Angesichts der systematischen Ungleichbehandlung von Frauen in der Kunstwelt und des historischen Mythos über das männliche Genie wirft AIVA schmerzhafte Fragen auf über überholte Rollenmuster und Stereotype von Weiblichkeit. Sei es Siri, Alexa, Cortana oder AIVA: Sie sind alle stets zu unseren Diensten – ohne Widerworte.

»La espera«, ein Film von Jakob Krese und Danilo do Carmo, bildet eine staubige Fläche zwischen Eisenbahn und Straße ab. Ein paar Lagerfeuer, vereinzelte Gruppen von Menschen, stille Bilder und eindringliche Gesprächsfragmente lenken den Blick auf den Mikrokosmos persönlicher Schicksale innerhalb des Weltgeschehens: die Flucht vor Armut und Gewalt aus Mittelamerika in den reichen Norden des Kontinents.

Nehmt Scheren

Der erste Preis geht an Nazanin Hafez für ihre Arbeiten »Karneval« aus der Serie »Zuschauer«. Mit der islamischen Revolution wurden öffentliche Hinrichtungen im Iran eingeführt. Sie folgen dem Ziel, die Bevölkerung zu unterdrücken, einzuschüchtern und zu erziehen. Sie sind allgegenwärtig und
locken viele Zuschauer und Zuschauerinnen an. Einige fotografieren und filmen die Hinrichtung, während andere den Moment sogar zu genießen scheinen. Es entsteht ein Prozess der Normalisierung. Die Collage, bestehend aus gesammelten Fotos von öffentlichen Hinrichtungen, entstellten und verzerrten Gesichtern und macht sie zu dem Hauptsubjekt. Denn auch sie tragen moralische Verantwortung für das, was passiert.

Vernissage und Preisverleihung
19 Uhr
Foyer im Erdgeschoss
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Mehr Infos unter:
www.muenzenbergforum.de/[1]

Links:

  1. http://www.muenzenbergforum.de/