Ein Sieg für alle Demokraten

Tobias Schick (SPD) gewinnt die Oberbürgermeisterwahl in Cottbus

Mit 68,6 Prozent der Stimmen hat Tobias Schick (SPD) am Sonntag in der Oberbürgermeisterstichwahl von Cottbus über Lars Schieske (AfD) den Sieg davongetragen. Die Wahlbeteiligung lag bei 55,2 Prozent und damit 1,8 Prozentpunkte höher als bei der ersten Wahlrunde im September. Das ist ungewöhnlich. In der Regel sinkt die Beteiligung bei Stichwahlen, wenn nur noch die beiden bestplatzierten Kandidaten auf dem Stimmzettel stehen und alle übrigen Bewerber schon ausgeschieden sind.

Das zeigt, dass in Cottbus einiges auf dem Spiel zu stehen schien, obwohl der Triumph von Tobias Schick auch in dieser Höhe absehbar war. Schließlich hatte er zuletzt alle demokratischen Kräfte in der Stadt hinter sich, von CDU und FDP über die Grünen bis zur Linken. Sie alle wollten verhindern, dass der Landtagsabgeordnete Schieske, der sich als »großer Verfechter traditionellen deutschen Brauchtums« präsentierte, Rathauschef wird.

»Der mit dem Kohleausstieg verbundene Strukturwandel macht Cottbus interessant für Investoren. Die Ansiedlung von Unternehmen braucht jedoch Weltoffenheit, auch wegen der benötigten Fachkräfte«, erklärte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), als er Tobias Schick am Montag gratulierte.

»Wir freuen uns, dass es hier eine klare Absage an einen rechtsextremen Oberbürgermeister gab«, sagte ebenfalls am Montag der Linke-Kreisvorsitzende Christopher Neumann. Seine Partei hatte von vornherein auf einen eigenen Kandidaten verzichtet. Ob das im Nachhinein betrachtet richtig gewesen ist? »Ich glaube ja«, sagte Neumann jetzt. Es sei ein wichtiges Signal gewesen, dass Schick bereits vor der Stichwahl vor Lars Schieske lag und nicht erst mit der Unterstützung der ausgeschiedenen Bewerber an ihm vorbeizog. Neumann geht davon aus, dass ein Großteil der Anhänger der Linkspartei in beiden Wahlgängen für den Sozialdemokraten stimmte. Nun hofft Neumann auf eine Verständigung mit dem neuen Rathauschef. »Wir sind zu einer konstruktiven Zusammenarbeit ausdrücklich bereit«, betonte er. Der jetzige Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) trat aus gesundheitlichen Gründen nicht noch einmal an.

68,6 Prozent für Tobias Schick wertet Christopher Neumann als »deutliches Statement für ein demokratisches Cottbus«. Alles andere wäre aber auch »eine Katastrophe« gewesen. Lars Schieske habe die potenziellen AfD-Wähler abgeholt, »mehr nicht«, analysierte Neumann die Zahlen. Schieske wirkte zuverlässig, nicht so rowdyhaft wie viele seiner Kumpane in der AfD. Dass er es zumindest in die Stichwahl schaffte, sei bedauerlich. »Wir haben ein Rechtsextremismusproblem in Cottbus.« Darüber will der Linke-Kreisvorsitzende nicht hinwegsehen.

So ähnlich sieht es auch die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina. Sie freue sich, dass sich die Demokraten durchgesetzt haben, sagte sie am Montag. Trotzdem seien die Zahlen der AfD, die mit Lars Schieske zulegen konnte, »besorgniserregend«.

Die Cottbuser Wahl fand bundesweit Beachtung nicht zuletzt deshalb, weil in der Berichterstattung der Eindruck erweckt wurde, die AfD könnte hier wirklich gewinnen. So schlimm steht es dann aber doch nicht in der Lausitzmetropole. Als Folge der Berichte erhielt SPD-Kandidat Schick unerwartet Hilfe beispielsweise durch eine Videobotschaft der Schauspielerin Jutta Speidel aus München, die vor der Stichwahl mahnte: »Es ist nicht zu spät für die Demokratie.«

Im Schatten der Cottbuser Ereignisse gab es am Sonntag weitere Bürgermeisterstichwahlen in Brandenburg, unter anderem in Perleberg in der Prignitz. Hier besiegte der von CDU und FDP ins Rennen geschickte Axel Schmidt, der bislang das Jobcenter im Landkreis Ostprignitz-Ruppin leitet, den Landtagsabgeordneten Thomas Domres (Linke). Nach der ersten Runde am 18. September hatte Domres mit 32,7 Prozent noch vorn gelegen. Doch Schmidt, der mit einem Ausgangswert von 30,0 Prozent in die Stichwahl ging, konnte nun noch an ihm vorbeiziehen. Mit den Ausschlag gegeben hat, dass sich die SPD, deren Kandidatin Nadja Schwark mit 12,9 Prozent ausgeschieden war, auf die Seite von Axel Schmidt schlug.

Es ist schon lange zu beobachten, dass Die Linke bei Landrats- und Bürgermeisterwahlen fast regelmäßig SPD-Kandidaten mitträgt, es diese Unterstützung umgekehrt aber so gut wie nie gibt. Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) machte bereits vor Jahren auf den Missstand aufmerksam, dass die SPD im Zweifelsfall lieber einem CDU-Kandidaten hilft als einem Linke-Kandidaten. Nicht erst, seit SPD und CDU 2019 wieder Koalitionspartner wurden, ist das so, sondern es geschah bereits in der Zeit der rot-roten Regierung. Fair läuft es dagegen zwischen Grünen und Linken, die schon öfter gemeinsame Kandidaten aufstellten, die mal von der einen und mal von der anderen Seite kamen.

Linke-Landeschefin Slanina begleitete Thomas Domres am Sonntag bei seiner Stimmabgabe ins Wahllokal. Sie ist seine Partnerin. »Schade, dass es nicht geklappt hat«, meinte sie am Montag. Andererseits seien 45,1 Prozent »in diesen Zeiten ein tolles Ergebnis«. Zum Vergleich: In der jüngsten Umfrage stand die Linkspartei brandenburgweit nur bei neun Prozent.

Thomas Domres selbst erklärte am Montag, er sei zwar »traurig« wegen des Wahlausgangs. Er habe aber keinen Grund, »den Kopf in den Sand zu stecken«.

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