Leipziger Brandserie reißt nicht ab

Sachsens Innenminister vermutet militante Linke als Täter und sieht Zusammenhang zu Prozess gegen Lina E.

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dienstag kurz vor vier am Morgen brannte im Leipziger Osten ein Dutzend Transporter. Sie gehörten dem Immobilienunternehmen Vonovia, dessen Umgang mit Mietern etwa bei der Abrechnung von Betriebskosten oft kritisiert wird. Über die Höhe des Schadens machte die Polizei, die bei den Ermittlungen unter anderem einen Hubschrauber einsetzte und anschließend einen Zeugenaufruf startete, keine Angaben. Am Freitag hatten gut einen Kilometer entfernt bereits zwei Bagger in Flammen gestanden. Eigentümer war ein Bauunternehmen aus Ostsachsen, dessen Chef eine Nähe zu Verschwörungstheorien und rechter Ideologie nachgesagt wird. In dem Fall wird der Schaden auf fast 400 000 Euro beziffert. Die Polizei geht in beiden Fällen von Brandanschlägen aus, wie sie beide Unternehmen in der Vergangenheit schon mehrfach trafen.

Die Ermittlungen übernahm jeweils eine Abteilung des sächsischen Landeskriminalamtes (LKA), die sich »Polizeiliches Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum« (PTAZ) nennt. Beide Begriffe drückten mit Blick auf die Anschläge aus, »wie wir darüber denken«, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU). Er vermutet die Täter in der militanten linken Szene. Das LKA hatte in seinen Mitteilungen über die Brände zwar noch zurückhaltend formuliert, eine politische Motivation könne »nicht ausgeschlossen werden«. Das, präzisierte Schuster jedoch, »wäre untertrieben«. Bei den Angriffen auf beide Firmen sei »ein Muster« erkennbar.

Allerdings verlieren nicht nur das Immobilien- und das Bauunternehmen immer wieder Fahrzeuge durch Brandstiftung. Zu Silvester 2021 brannten in Leipzig mehrere Geländewagen der Bundeswehr aus, im April fünf Transporter einer Autovermietung. Auch die Deutsche Post war in der Stadt bereits betroffen. Zuletzt wurde im Oktober ein Brandanschlag auf einem Gelände der Telekom verhindert. Zwar brennen in Sachsen auch anderswo Autos; eine Auflistung des Innenministeriums für 2021 nennt 216 Fälle vorsätzlicher Brandstiftung an Fahrzeugen, die unter anderem zehn Bagger, je elf Kleinbusse und Lastwagen sowie 26 Transporter betrafen. Allein 89 davon – gut 40 Prozent – ereigneten sich aber in Leipzig. Insgesamt ordnen die Ermittler 34 der Fälle als »politisch motivierte Kriminalität links« ein.

In wie vielen Fällen das tatsächlich zutrifft, ist offen; Täter werden äußerst selten ermittelt. Aufgrund von Taten im Jahr 2021 seien zwei Tatverdächtige festgenommen und einer verurteilt worden, erklärte das Innenministerium im März auf Anfrage eines AfD-Abgeordneten. Auch Bekennerschreiben gibt es höchst selten. Nach dem Anschlag auf die Autovermietung tauchte auf der Plattform Indymedia ein Schreiben auf, in dem es hieß: »Unsere Genossin Lina E. sitzt noch immer in Haft. Darüber sind wir wütend und haben heute Nacht ein paar Wagen … angezündet.«

Die Studentin Lina E. und drei weitere Angeklagte stehen seit September 2021 in Dresden vor Gericht. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen; sie sollen mutmaßliche Rechtsextreme gezielt überfallen und teils schwer verletzt haben. E. wird von der Bundesanwaltschaft als Führungsfigur angesehen und sitzt deshalb in Untersuchungshaft; just am vergangenen Freitag, als im Leipziger Osten die beiden Bagger brannten, jährte sich ihre Inhaftierung zum zweiten Mal. Nachdem der Vorsitzende Richter zwischenzeitlich in Aussicht gestellt hatte, das Urteil könne bis Jahresende gesprochen werden, verkündete das Oberlandesgericht Dresden dieser Tage rund zwei Dutzend neue Verhandlungstermine bis Anfang April 2023. Zu den Gründen äußerte sich das Gericht auf Anfrage des »nd« bis zum Mittwochnachmittag nicht.

Mancherorts gab es die Erwartung, der Prozess gegen die einst allesamt in Leipzig aktiven Angeklagten könne die militante Szene der Stadt einschüchtern, insbesondere seit den Aussagen eines Aussteigers, der als Kronzeuge auftrat und tiefe Einblicke in Struktur und Aktionsweise gab. Diese Hoffnung aber, sagte Schuster, habe sich mit den jüngsten Anschlägen als »Trugschluss« erwiesen.

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