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Chemiefabrik Leber

Die Leber baut Stoffe ab, auf und um – vor allem als Dienstleistung für anderen Organe des Körpers

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.
Biolumne: Chemiefabrik Leber

In dem größten unserer inneren Organe, der Leber, geht es tatsächlich wie in einer chemischen Fabrik zu. Ununterbrochen werden Stoffe auf-, ab- und umgebaut. Und das nicht nur für den Eigenbedarf, sondern vor allem als Dienstleistung für alle anderen Organe des Körpers. Ständig laufen Signale ein, die die Prozesse regulieren, Synthesen stoppen, ganze Synthesewege umkehren.

Allein unser Essverhalten ist für die Leber eine gewaltige chemische Herausforderung. Wie bei Ebbe und Flut werden Glukose und Aminosäuren über das Blut vom Darm herantransportiert. Eine wahre Sturmflut bricht nach einer Mahlzeit herein! Würde sie ungebremst den Blutkreislauf überschwemmen, wären die Folgen fatal! Deshalb wird überschüssige Glukose in der Leber als Glykogen – das ist nichts anderes als tierische Stärke – gespeichert. Daraus kann sie bei der Ebbe zwischen den Mahlzeiten wieder freigesetzt und ins Blut eingespeist werden. So wird der Blutzuckerspiegel konstant gehalten. Das ist vor allem für das Gehirn und die roten Blutzellen wichtig, die auf Glukose angewiesen sind. In schlechten Zeiten, im Hungerzustand, beginnt die Leber sogar in großem Ausmaß Glukose selbst zu produzieren. Als Ausgangsstoff dafür dienen auch Aminosäuren.

Doch normalerweise werden die mit der Nahrung eintreffenden Aminosäuren nicht so vergeudet. Aus ihnen werden vor allem Proteine synthetisiert. Auch hier produziert die Leber viel für den »Export« in den ganzen Körper. Die meisten Plasmaproteine – nicht aber die Antikörper! – sind ihr Produkt. Parallel beliefert sie alle Organe mit den Proteinbausteinen. Damit deren Gemisch dem Bedarf entspricht, laufen in der Leber entsprechende Umwandlungen ab.

Überschüssige Aminosäuren werden, da sie nicht wie Zucker oder Fett gespeichert werden können, zur Energiegewinnung genutzt. Dabei stört der in Aminosäuren enthaltene Stickstoff, der aufwendig entsorgt werden muss, damit kein giftiger Ammoniak entsteht. Wie ein Hamsterrad läuft deshalb in der Leber unaufhörlich der Harnstoffzyklus ab – ein Stoffwechselweg, bei dem Stickstoff in ungefährlichen, gut löslichen Harnstoff eingebaut wird. Den können wir leicht über die Nieren ausscheiden. Die Harnstoffbildung ist mengenmäßig die wichtigste Entgiftungsreaktion, die der Leber obliegt. Doch gleichzeitig laufen viele andere Entgiftungen ab – sowohl von schädlichen Endprodukten des Stoffwechsels als auch von körperfremden Stoffen. Meist entstehen dabei Stoffe, die mit dem Harn oder der Galle ausgeschieden werden können. Die für diese Entgiftung notwendigen Enzymkapazitäten werden ständig den Erfordernissen angepasst.

Doch ein Bestandteil unserer Nahrung umgeht zunächst die Leber: das Fett. Das gelangt, in Proteine verpackt, über die Lymphe direkt in den Blutkreislauf und wird zum Fettgewebe transportiert. Im Fettgewebe wird der größte Teil der eintreffenden Fracht direkt übernommen. Nur Reste gelangen schließlich zur Leber und werden dort verarbeitet.

Wie jede Chemiefabrik benötigt auch die Leber viel Energie. So verwundert es nicht, dass etwa ein Viertel all unseres Energiespenders ATP von ihr verbraucht wird.

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