Wer hat Angst vor der KI?

Künstliche Intelligenz ist zwar zu erstaunlichen Leistungen fähig, überschätzt werden sollte sie dennoch nicht

Künstliche Intelligenz kann nicht nur Bilder wie diese erstellen, sondern längst auch zusammenhängende Texte generieren.
Künstliche Intelligenz kann nicht nur Bilder wie diese erstellen, sondern längst auch zusammenhängende Texte generieren.

»Ein Gespenst geht um im Web 3.0 – das Gespenst der künstlichen Intelligenz. Alle Mächte des alten World Wide Web haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet, die NSA und Interpol, Richard David Precht und Christian Lindner, französische Radikale und deutsche Polizisten.« So oder so ähnlich könnte die automatisch generierte Antwort klingen, wenn man die Schlagworte Internet, künstliche Intelligenz (KI) und Kommunistisches Manifest dem System »Chat GPT« zum Fraße vorwirft und es bittet, daraus einen zeitgenössischen Text zu generieren.

Seit das Unternehmen OpenAI vor wenigen Wochen besagten Chatbot veröffentlichte, vergeht in den sozialen Medien kein Tag ohne Diskussionen über die neuesten Ergüsse des Programms. Während die einen relativ banale Songtexte oder Gute-Nacht-Geschichten erstellen lassen, fordern andere die KI auf, moralphilosophische Fragen zu beantworten. Dass der Chatbot auf nahezu alles eine Antwort ausspuckt, liegt daran, dass er zuvor mit einer schier unendlich großen Menge Daten gefüttert und trainiert wurde. Auf nicht weniger als den Informationen sämtlicher Internetseiten sowie der kompletten Online-Enzyklopädie Wikipedia soll der Algorithmus fußen.

Angesichts dieser technischen Evolution befürchten Vertreter*innen geisteswissenschaftlicher Fakultäten bereits ein Ende der klassischen Hausarbeit als Prüfungsform, da sich studentische Ausarbeitungen fortan »nicht mehr von einer maschinell erstellten Arbeit unterschieden« ließen. Dass diese Befürchtung berechtigt ist, darf indes angezweifelt werden. Zwar ist die KI dazu fähig, Sinngehalte auch über mehrere Absätze eindrucksvoll hinweg aneinanderzureihen. Derzeit stößt sie aber noch relativ schnell an ihre Grenzen, etwa wenn man sie dazu auffordert, eine berühmte Denksportaufgabe aus dem 9. Jahrhundert zu lösen, in der ein Wolf, eine Ziege und ein Kohlkopf unbeschadet von einem Flussufer an das andere gebracht werden müssen.

Weitaus größer als für den Wissenschaftsbetrieb dürfte die Gefahr in ganz anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sein. So könnte die Entwicklung der Produktivkraft KI etwa zu bislang ungeahnten Qualitätssteigerungen von Spam-Mails führen, die fortan nicht länger aus inkonsistenten Geschichten in holpriger Übersetzung bestünden und wahllos unermesslichen Reichtum versprächen. Unsere Postfächer könnten bald geflutet sein mit die Fantasie anregenden Geschichten, die so lyrisch wertvoll wie märchenhaft verführerisch klingen – schlichtweg, weil sie phrasenhaft zusammenmontiert sind aus dem breiten Fundus bereits existierender Werke der Menschheitsgeschichte.

Doch keine Angst. Wenn es erst so weit kommt, ist Verlass auf den Wissensspeicher des universitären Betriebes. Dort hat sich immerhin schon lange vor dem Einsatz jeglicher KI gezeigt, dass man seine Spam-Mails besser genauso ungelesen lässt wie manche Abschlussarbeit. Wie sonst ließen sich die Doktortitel ehemaliger Spitzenpolitiker*innen wie Karl-Theodor zu Guttenberg und Franziska Giffey erklären? Eine Antwort auf die Frage bleibt Chat GPT dem Autor schuldig. Auf der entsprechenden Homepage heißt es lediglich, das System sei derzeit aufgrund zu vieler Anfragen überlastet. Verfasst im Stile eines Shakespeare-Gedichtes, versteht sich.

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