Mehr Züge nur auf dem Papier

Brandenburg bezahlt nicht für Bahnverbindungen, die ständig ausfallen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die Deutsche Bahn (DB) und die private Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) aufgefordert, zu den vertraglich vereinbarten Beförderungsleistungen zurückzukehren. Beim traditionellen Jahresendgespräch sagte er am Montag in Potsdam, das Land werde keine Schienenkilometer bezahlen, die nicht gefahren werden. Hintergrund ist, dass viele Fahrgäste in den vergangenen Tagen erleben, dass die mit dem nach dem Fahrplanwechsel im Dezember zugesagten Verbindungen nicht bestehen und das versprochene Plus bei den Regionalzügen entweder gar nicht oder nur rudimentär vorhanden ist. So wurde der 20-Minuten-Takt beim Regionalexpress RE1 bereits wieder ausgesetzt, weil die Berliner Stadtbahn so viele Züge nicht vertrage, wie man jetzt erst herausgefunden habe.

Die Folgen des Krieges in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland lasten schwer auch auf Brandenburg, berichtete Woidke. Auch wenn die vom Bund angekündigte Gaspreisbremse wirkt, werde Energie ein Drittel bis die Hälfte mehr als ursprünglich kosten. Die Bundeshilfen in Höhe von 400 Milliarden Euro für ganz Deutschland sowie das von der Landesregierung verkündete »Brandenburg-Paket« in Höhe von zwei Milliarden Euro sichern Woidke zufolge ab, »dass wir gut über die nächsten Monate, vielleicht die nächsten Jahre kommen«. Die Energieversorgung scheine ihm sicher. Doch gibt es da noch den Winter, der den Russen in die Hände zu spielen scheint. Woidke erklärte, das Wetter sei ein wesentlicher Faktor. Wenn es dauerhaft minus zehn Grad kalt sei, habe das Auswirkungen auf den Energieverbrauch.

Die Landeshilfen sollen Woidke zufolge beispielsweise sicherstellen, dass Sportvereine die gestiegenen Heizungskosten bezahlen können und dennoch die Mitgliedsbeiträge nicht erhöhen müssen. »Sonst würden sich die Beiträge verdoppeln, was wiederum zur Folge hätte, dass Kinder abgemeldet würden. Das wollen wir vermeiden.« Bund und Land würden gemeinsam dafür sorgen, dass der Kreis der Wohngeldempfänger verbreitert und mehr Wohngeld gezahlt werde. Haushalte mit weniger als 35 000 Euro Jahreseinkommen netto seien ab Januar von den Kita-Beiträgen befreit. »Damit entlasten wir nicht nur Geringverdiener, sondern durchaus auch Menschen mit einem mittleren Einkommen.«

Woidke räumte ein, dass der große Vorsprung Brandenburgs beim Ausbau der Erneuerbaren Energien den Brandenburgern deutlich höhere Strompreise beschert. Beispielsweise in Bayern, das vergleichsweise wenig auf Windkraft und Solarstrom setze, koste die Kilowattstunde fünf Cent weniger. »Was das für eine Familie bedeutet, die 5000 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, lässt sich ausrechnen.« Schon seit Jahren kritisiert die Landesregierung die dafür verantwortlichen Netzentgelte, ohne dass sich etwas ändert. Auch am Montag sprach Woidke wieder von »Fehlanreizen«. Dessen ungeachtet zeigte er sich unbeirrt: Brandenburg müsse mehr Windräder aufstellen und mehr Solaranlagen installieren.

Wirtschaftlich gesehen blicke Brandenburg »auf das erfolgreichste Jahr in seiner Geschichte zurück«. Mit Blick auf das allgemein schwierige Umfeld merkte der Ministerpräsident an: »Das traut man sich ja gar nicht zu sagen.« Nach 810 Tagen seien nun die ersten Tesla-Elektroautos in Grünheide vom Band gerollt. Der Beweis sei erbracht: Auch in Deutschland können solche Dinge schnell gehen, schneller als vielleicht in Texas oder Kalifornien.

Die Tesla-Fabrik wurde tatsächlich in Rekordzeit hochgezogen, was bei der Bürokratie in der Bundesrepublik vorher viele nicht für möglich gehalten hätten. Woidke sagte, die Investition habe Brandenburg international bekannt gemacht. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) spreche inzwischen von weiteren 30 Anfragen, die internationale Großunternehmen gestellt
haben. Nun würden die Wertschöpfungsketten entstehen, auf die Brandenburg lange vergeblich gewartet habe.

Auf die Frage hin, wo er die Fachkräfte für all das hernehmen wolle, wo die Wirtschaft doch jetzt schon mit einen massiven und ständig wachsenden Personalmangel zu kämpfen habe, zeigte Woidke zwar Verständnis für Kritik an der brandenburgischen Bildungspolitik, forderte aber auch von den Unternehmen, mehr junge Leute auszubilden. Diese kontern mit dem Argument, wenn es keine Bewerber gebe, benötige man auch keine Ausbildungsplätze. Woidke jedoch beteuerte: »Die Bewerber gibt es.« Auch international müsse eine Suche nach geeigneten Fachkräften einsetzen. »Kanada hat damit gute Erfahrungen gemacht.«

Befragt nach seinen persönlichen politischen Ambitionen angesichts der Landtagswahl 2024 sagte Woidke, er hoffe, nicht amtsmüde zu wirken. »Wir werden uns im nächsten Jahr überlegen, mit welchem Team wir in die Landtagswahl gehen. Nach jetzigem Stand gehe ich davon aus, dass ich Teil dieses Teams sein werde.«

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