nd-aktuell.de / 17.01.2023 / Berlin / Seite 1

Fehlendes Regelwerk für Quereinstieg

Der Berufseinstieg für Lehrkräfte ohne Lehramtsstudium braucht nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts eine gesetzliche Grundlage

Marten Brehmer

Neue Probleme für den Senat bei der Lehrkräftebildung: Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts muss eine rechtliche Grundlage für die Qualifizierung von Quereinsteigern beim Lehramt geschaffen werden. Die bei den Quereinsteigern üblichen berufsbegleitenden Studien stellten einen neuen Zugang zum Lehrerberuf da, der dem Grundgesetz nach eine gesetzliche Regelung erforderlich mache, so die fünfte Kammer des Gerichts. Diese gebe es bisher nicht. Ein Gesetz brauche es etwa für den Zugang und Prüfungsverfahren, so die Richter.

Geklagt hatte eine Biologin, die eine Anstellung als Grundschullehrerin anstrebt. Nachdem sie eine Mathematik-Prüfung mehrfach nicht bestanden hatte, wurde sie exmatrikuliert, wogegen sie gerichtlich vorging. Weil es eine Rechtsgrundlage weder für die Exmatrikulation noch für eine Fortführung des Studiums gebe, traf das Gericht eine paradoxe Entscheidung: Der Exmatrikulationsbescheid wird zwar für ungültig erklärt. Weil es aber auch keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, dass sie an einer Schule unterrichtet, darf die Klägerin ihr Studium vorerst auch nicht wieder aufnehmen.

Quereinsteiger – also Lehrkräfte, die kein Lehramtsstudium absolviert haben – werden an den Schulen immer häufiger. Bei allen Neueinstellungen berlinweit machen sie etwa die Hälfte aus, besonders an Schulen mit schlechtem Ruf liegt die Quote oft deutlich höher.[1] Für viele von ihnen könnte das Urteil weitreichende Auswirkungen haben. In Berlin müssen sie momentan ein Fach nachstudieren, wenn sie nur in einem Schulfach einen Abschluss haben. Parallel unterrichten sie aber bereits im studierten Fach. Diese Praxis hat das Verwaltungsgericht nun für illegal erklärt.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Bildungsverwaltung gegen das Urteil Berufung einlegen wird. Dort geht man davon aus, auch weiterhin die berufsbegleitenden Studien anzubieten und Absolventen zum Referendariat zuzulassen. Franziska Brychcy, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, fordert »schnelle Rechtssicherheit« für die Quereinsteiger. Eine Rechtsgrundlage müsse nun »schnellstmöglich« über eine kleine Novelle des Lehrkräftebildungsgesetzes geschaffen werden. »Die berufsbegleitende Qualifizierung ist angesichts des massiven Lehrkräftemangels zu einer zentralen Säule der Lehrkräftequalifizierung im Land Berlin geworden und muss dennoch hohen Qualitätsanforderungen genügen«, sagt sie zu den Anforderungen an diese Novelle.

Aktuell wird angesichts des Lehrkräftemangels, den die Universitäten trotz entsprechender Anstrengungen nicht mit eigenen Absolventen ausfüllen können, bundesweit diskutiert, die Anforderungen für Quereinsteiger zu senken. In Brandenburg wurde am Dienstag beschlossen, auch Bewerbern, die nur einen Bachelor-Abschluss in einem beliebigen Fach vorweisen können, die Schullaufbahn zu ermöglichen, allerdings auf schlechter bezahlten Stellen. Auch Lehrkräfte, die nur ein Fach unterrichten, sollen zukünftig möglich sein.[2] Mit diesem Schritt vollzieht Brandenburg einen Alleingang, die betroffenen Lehrkräfte werden in anderen Bundesländern nicht unterrichten können. Neben Bildungspolitikern aus anderen Bundesländern warnten auch der Philologenverband und die Hochschulrektorenkonferenz vor einem Absinken des Unterrichtsniveaus.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168833.lehrermangel-verloren-im-lehrerzimmer.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170027.bildung-gut-vorbereitet-vor-der-klasse-stehen.html