• Berlin
  • Rekonstruktion des Stadtschlosses

Berliner Humboldt-Forum: »Das widerlichste Gebäude der Welt«

»Schlachthäuser der Moderne«: Der neue Film von Heinz Emigholz übt scharfe Kritik am Berliner Humboldt-Forum

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Heinz Emigholz hält mit dem, was er zum Berliner Schloss zu sagen hat, nicht hinter dem Berg. Es sei das »widerlichste Gebäude der Welt«, heißt es in seinem neuen Dokumentarfilm »Schlachthäuser der Moderne«. Hier auf der Spreeinsel in der Mitte Berlins, wo die einstige Residenz der Hohenzollern wiederaufgebaut wurde, habe man »im wahrsten Sinne des Wortes Mist gebaut«. Emigholz nimmt es durchaus persönlich: Seine Großväter wären durch den »Wilhelminismus« im Ersten Weltkrieg in den Tod getrieben worden. Seit 2020 hat dieser nun wieder ein Denkmal bekommen.

In »Schlachthäuser der Moderne« zeigt Emigholz nicht nur den heutigen Bau. Er lässt auch den Architekten Arno Brandlhuber, den er gebeten hat, ein Todesurteil zum Schloss zu schreiben, von der Debatte zwischen Walter Ulbricht sowie den Architekten Hermann Henselmann und Hans Scharoun erzählen, an deren Ende das Schloss 1950 gesprengt wurde. Auch der Abriss des an dieser Stelle entstandenen Palasts der Republik 2006 wird spöttisch mit dem Hinweis kommentiert, dass ganz im Gegenteil das ebenfalls asbestbelastete Messegebäude in Charlottenburg unter Denkmalschutz gestellt wurde. 

Aber jetzt steht das neue Schloss nun mal, was also tun? Abriss des Palasts und Aufbau des Schlosses seien lediglich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gewesen, heißt es in Emigholz Film. Und weil dem so sei, könne man das Gebäude auch wieder abbauen, in der bolivianischen Stadt El Alto erneut aufbauen und dafür einen der dortigen von Freddy Mamani Silvestre entworfenen Palast an die Stelle des Berliner Schlosses setzen. Mamani hat in seiner von Backstein dominierten Heimatstadt einige futuristische Gebäude entworfen, die an Hundertwasser erinnern. Statt der Kuppel mit Kreuz könnte dann ein verspielter Passagierdampfer das Schloss krönen, anstelle des Schlüterhofs ein Autosalon auf die Museumsinsel gepflanzt werden, schlägt Emigholz vor. 

Auch wenn Mamani in »Schlachthäuser der Moderne« selbst nicht allzu gut wegkommt, hat Emigholz Sympathien für den Aufsehen erregenden Architekten. Über den Pionier einer bolivischen Architektur mit einem verspielten wie futuristischen Baustil, der für Anhänger des funktionalistischen Bauens einer Provokation gleicht, hat er zuletzt auch einen eigenen Film gedreht. Emigholz reist für seinen neuesten Film aber nicht nur nach El Alto, er sucht auch in der argentinischen Pampa nach den Bauwerken Francisco Salamones. 

Dieser hat in kürzester Zeit in den 1930er Jahren zahlreiche monumentalistische Schlachthäuser und Friedhofsportale entworfen. Die Quelle des Wohlstands in Argentinien, das Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund seiner Landwirtschaft eines der reichsten Länder der Welt war, wurde damit zum Denkmal gemacht. Vor allem seine Friedhofsportale, die mit absurden Proportionen ebenfalls in starkem Kontrast zum funktionalistischen Bauen der Moderne stehen, sind Beispiele für einen überwältigen wollenden Symbolismus. 

Hier wird die Parallele zum Berliner Schloss schon offenbar. Emigholz benennt die Zweideutigkeit seines Titels »Schlachthäuser der Moderne« aber auch noch einmal explizit: Einerseits zeigt er die modernen Häuser von Salamone als Orte des Schlachtbetriebs. Anderseits verdeutlicht er, wie im Falle des Berliner Schlosses die architektonische Moderne geschlachtet wird. 

Dass Emigholz, der mittlerweile unzählige Architekturfilme gedreht hat, dieses Mal mit verschiedenen Stimmen und einem Erzähler arbeitet, ist neu. Beibehalten hat er aber seinen filmfotografischen Zugang zu den Bauwerken. Er verzichtet auf Drohnenvideos und Kamerafahrten. Stattdessen nähert er sich durch einzelne, ein Stück sich noch überlappende Bildausschnitte den Gebäuden an. Besonders gut gelingt das, wenn Emigholz in der Chronologie seiner Aufnahmen den Schlachtprozess vom Gatter bis zum Fleischhaken nachzeichnet. 

Durchaus humorvoll widmet er sich dabei auch Berlin. Wenn vom Marx-Engels-Forum mit der Bronze des sitzenden Karl Marx und dem stehenden Friedrich Engels die Rede ist und wie dieses im Laufe der Zeit versetzt und in der Blickrichtung gedreht wurde, fällt ihm ein durchaus spöttischer Kommentar ein. Es sei ein »Nahverkehrsdenkmal«. Denn: »Einer steht immer.« 

»Schlachthäuser der Moderne«, Heinz Emigholz, 80 Min.

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