nd-aktuell.de / 17.02.2023 / Gesund leben / Seite 1

Giftpflanze Petersilie? Fünfzig Gramm könnten zu viel sein

Petersilie ist giftig – aber erst, wenn sie blüht und damit ihre Erntezeit endet

Anke Nussbücker

Der Botanische Sondergarten in Hamburg-Wandsbek hat die Petersilie zur Giftpflanze des Jahres gekürt. Unter welchen Umständen kann das Küchengewürz der Gesundheit schaden? Oder irritiert diese Pressemeldung nicht vielmehr die Menschen, die vom Fast Food weg und öfter selbst kochen wollen? »Soll man Petersilie nun überhaupt nicht mehr essen?«, fragen ganz Unbedarfte.

Ein Bund handelsüblicher Petersilie wiegt ungefähr 40 Gramm, eine Menge, die für die ganze Familie für mindestens zwei Mahlzeiten reicht. Gleich vorweg: Eine tägliche Menge von 20 Gramm Petersilienblättern vom klugen Kräutergärtner ist auch für schwangere Frauen unbedenklich und liefert circa ein Drittel des Tagesbedarfes an Vitamin C. Es gibt jedoch Ernährungstrends, die eine Warnung des Botanischen Sondergartens als berechtigt oder sogar dringend notwendig erscheinen lassen.

Da ist zum einen der Trend zum urbanen Gärtnern: Junge Leute pachten einen Kleingarten, errichten Hochbeete oder pflanzen Kräuter auf dem Balkon. Wie das geht, eignen sie sich selbstständig an und ahnen nicht, welch wichtige Wissens- und Erfahrungsschätze von Großeltern oder Urgroßeltern im Zuge von Landflucht, Industrialisierung und Verstädterung verloren gegangen sind.

Noch vor 150 Jahren hatte fast jede Familie in Dörfern und Kleinstädten einen eigenen Kräuter- und Gemüsegarten, wo Kinder die gängige Gartenpraxis miterlebten. »Sobald die Petersilie blühte, wurde sie aus dem Beet herausgerissen und an anderer Stelle neu ausgesät«, weiß die Großmutter aus dem Erzgebirge zu berichten. Und das aus gutem Grund: Die blühende Petersilie ist giftig.

Die Petersilienpflanze ist ein zweijähriges Kraut, das in seinem zweiten Jahr – meist am Sommeranfang – zu blühen beginnt. Um die gelblichen Blüten und die sich daraus bildenden Samenkörnchen vor Fressfeinden zu schützen, produziert die Pflanze ein ätherisches Öl, das die Substanz Apiol enthält.

Auch im ersten Wachstumsjahr enthalten Petersilienblätter bereits eine gewisse Menge Apiol. Zu einem Breiumschlag verarbeitet, helfen sie äußerlich gegen juckende Mückenstiche. Die Blätter enthalten circa 0,3 Prozent ätherisches Öl, das vor allem Harnblase sowie Geschlechtsorgane anregt.

Sobald die Pflanze ihr Fortpflanzungsprogramm startet, enthalten jedoch alle Pflanzenteile ungefähr die zehnfache Menge an ätherischem Öl und damit zehnmal so viel Apiol, was besonders für Schwangere kritisch werden kann. Die höchste Konzentration findet sich in Blüten und Früchten, aber auch die Stängel enthalten beträchtliche Mengen.

Apiol beeinflusst im menschlichen Organismus eine Reihe von Organen. Es wirkt harntreibend, fördert die Durchblutung, regt den Stoffwechsel der Leber an und führt zu Kontraktionen der Gebärmutter. Diesen Wirkungen verdanken wir den Spruch: »Petersilie hilft dem Mann aufs Pferd und den Frauen unter die Erd.« Während das Kraut in Suppen und Salaten als leichtes Aphrodisiakum für Männer diente, wurde es in größeren Mengen im Mittelalter zur Abtreibung benutzt. Das geschieht noch heute in Ländern wie Argentinien. Für die ungewollt schwangeren Frauen endete das oft tödlich.

Gerade bei Petersilie sind die Grenzen zwischen ernährungsphysiologisch sinnvoller, pharmakologisch wirksamer und giftiger Dosis sehr eng. Daher wird Schwangeren strikt davon abgeraten, Petersiliensamen, das ätherische Öl oder menstruationsfördernden Tee mit Petersilienkraut zu sich zu nehmen, da diese eine Fehlgeburt auslösen können. Abtreibungsverbote, die Frauen veranlassen, eine ungewollte Schwangerschaft mittels Petersilie zu beenden, können tödlich enden. Die durch Petersilie ausgelösten Kontraktionen der Gebärmutter führen im Unglücksfall zu nicht mehr beherrschbaren Blutungen.

Auch Menschen mit entzündlichen Nierenerkrankungen muss zur Vorsicht bei Petersiliensamen oder -extrakten geraten werden. Die gängige Dosis zur Erhöhung der Harnmenge liegt bei zwei Gramm Petersiliensamen, als Tee aufgegossen dreimal täglich zu trinken. Petersiliensamen enthalten circa drei bis sechs Prozent ätherisches Öl, das aus einem Terpen und Apiol besteht. Umgerechnet auf den Apiol-Gehalt in einjährigen Petersilienblättern, entspricht die wirksame Tagesdosis von sechs Gramm Petersiliensamen einer Menge von 40 bis 120 Gramm Petersilienblättern. Die genauen Werte unterliegen jedoch natürlichen Schwankungen. Sicherheitshalber muss man bereits ab einer Dosis von 40 Gramm Petersilienblättern mit pharmakologischen Wirkungen rechnen.

Beim Mengeneinsatz gilt stets zu bedenken: Es ist ein Gewürz! Und Gewürze werden prinzipiell nur in kleinsten Mengen verwendet. Selbst in dem orientalischen Petersiliensalat Taboulé werden keine gefährlichen Mengen erreicht. Anders ist das bei den beliebten Smoothies. Das ist der zweite Trend, der zu erwähnen ist: Jede Woche mindestens vier Smoothies zu trinken, um genug für die Gesundheit zu tun.

Möglicherweise muss man sich Geschäftsschädigung nachsagen lassen, wenn man fragt, wie viel Gramm Petersilie in den Drink gemixt wurden. Aber es geht noch mehr: Manche Hersteller von ätherischem Petersilienöl empfehlen den Zusatz von fünf Tropfen in den Gemüsedrink. Hier gibt es zwar Warnhinweise, dass dieses Konzentrat nicht für Schwangere geeignet ist. Aber auch Frauen, die gerade ihre Menstruation haben, sollten wissen, dass durch ein Zuviel an Petersilie die Gebärmutter übermäßig angeregt wird und sie dann viel Blut verlieren können.

Die Intention des Botanischen Sondergartens, Kindern und jungen Leuten die Pflanzenwelt nahezubringen, ist grundsätzlich richtig. Viele Pflanzen haben Mechanismen entwickelt, um Fressfeinde abzuwehren – mit chemischen Substanzen, Dornen oder scharfen Blattspitzen. Die eher schwach giftige Petersilie gehört zur Familie der Doldenblütengewächse. Bei wild wachsenden Vertretern dieser Pflanzenfamilie besteht Verwechslungsgefahr mit dem stark giftigen Schierling.

Fazit: Die von botanischen Gärten angebotenen Veranstaltungen für Kinder sind lobenswert. Dass es aber so reißerischer, missverständlicher Titel für Pressemeldungen braucht, um Aufmerksamkeit zu erlangen, ist als typisches Symptom der heutigen Zeit zu beklagen.