»Als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich nach und nach alte Kneipen in meiner Nachbarschaft erkundet. Damals gab es davon noch mehr«, erinnert sich Karin Erb an den Moment zurück, in dem ihre Leidenschaft für den Mampe-Kräuterlikör geweckt wurde. Wie sie »nd« erzählt, war der einstige Zauber der Marke im Jahr 2003 schon längst verflogen. »Als ich dann bestellt habe, hat man mir gesagt: ›Du bist ja von gestern!‹ Das hat mich aber nur noch heißer gemacht.« Erb begann, alle möglichen »Mampe-Devotionalien« zu sammeln und eröffnete schließlich ein kleines Museum, das gerade nach einer neuen Heimat sucht.
Geschichten wie diese machen die Berliner Marke Mampe besonders – und es gibt sie zuhauf. Im Buch »Berliner Elefantenmarke« erzählen nun Marcellinus Prien und Lothar Uebel auf mehr als 140 Seiten die Geschichte hinter der Kreuzberger Likörfabrik. Dabei überwiegen die Bilder: von alten Schnapsflaschen, Werbeschildern, Elefantenfiguren und historischen Fotos aus der Berliner Vergangenheit.
Dabei beginnt Mampes Geschichte des Berliner Kultgetränks gar nicht in Berlin, sondern im pommernschen Stargard. Hier erfindet der preußische Arzt Carl Friedrich Mampe 1831 seine »Bitteren Tropfen«: Das Gemisch aus Alkohol und 67 Kräutern ist als Medizin gegen die damals grassierende Cholera gedacht. Mampe verkauft die Mischung mit großem Erfolg an Apotheken in seiner Umgebung, auch wenn sich die Wirksamkeit des Gegenmittels wohl in Grenzen hält.
Sein Rezept gibt der Erfinder schließlich an seine zwei Stiefbrüder weiter. Die beiden zerstreiten sich, der eine bleibt in Stargard, der andere versucht sein Glück in Berlin. Im Jahr 1894 entschließt sich das Berliner Unternehmen zu einem entscheidenden Schritt: Ein weißer Elefant auf rotem Grund soll fortan die Produkte zieren. Noch im selben Jahr feiert zudem »Mampe Halb und Halb«, ein milder Magenbitter, seine Produktpremiere. Bis heute ist er das Vorzeigegetränk der Firma.
Vier Jahre später steigt der Werbespezialist Robert Emil Justus Exner bei Mampe ein. »Exner hat das Unternehmen perfekt ergänzt«, sagt Buchautor Lothar Uebel zu »nd«. »Mampe hat sich dann als sehr fähig in Sachen Marketing erwiesen.« Der Aufwand, den das Unternehmen betreibt, ist enorm: Es fertigt teure Werbeschilder aus Emaille, lässt mundgeblasene Flachmänner von Hand befüllen. Später wird Mampe auch auf Bussen[1] werben und sein Logo auf Spielzeugautos drucken lassen.
Zum Mythos der Marke trägt auch »Mampes Gute Stube« bei, die 1917 am Ku’damm eröffnet. Sie ist die erste einer ganzen Reihe von Lokalen, die ganz im Zeichen des weißen Elefanten stehen werden. Häufiger Gast war der Autor Joseph Roth, der hier Reportagen geschrieben haben soll. Der Kult um die Marke greift immer weiter um sich. Ab 1924 sind beinahe 60 Jahre lang zwei Elefanten im Berliner Zoo[2] zu finden, benannt nach dem Gründer des Unternehmens: Carl und Mampe.
1933 tritt Exner, inzwischen alleiniger Geschäftsführer Mampes, der NSDAP bei – wohl vor allem aus wirtschaftlichem Opportunismus, wie Prien und Uebel schreiben. Schon im Ersten Weltkrieg hatte er »Bittere Tropfen« an die Front geliefert. Im Jahr 1937 geht ein zweites Mampe-Werk in Hohenschönhausen an den Start, Heimat des Lufthansa-Cocktails, der daraufhin über ein halbes Jahrhundert in der ersten Klasse der deutschen Airline ausgeschenkt wird.
Mampe gelingt es auch, internationale Bekanntheit zu erlangen. In den USA sorgt dafür vor allem Popstar David Bowie, der 1978 in »Armer Gigolo, Schöner Gigolo« als Werbebotschafter auftritt. Vielen ist Mampe auch als Sponsor des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC[3] bekannt, der mit den bis heute ikonischen Elefanten-Trikots 1979 immerhin das Halbfinale des Uefa-Pokals erreicht. Von hier an geht es mit dem weißen Elefanten jedoch bergab.
Nach der Wende verliert Mampe an Bedeutung und geht letztlich in der niedersächsischen Berentzen-Gruppe auf. Erst 2012 kann sich die Berliner Marke von ihr lösen, die Unternehmer Thomas Inden-Lohmar und Frank Zächel sichern sich die Rechte. Schließlich geht die Geschäftsführung 2020 an Florian Löhlein und Quirin Graf Adelmann. Heute stellen ein paar Dutzend Beschäftigte in Kreuzberg Kräuterliköre, aber auch Gin und Wodka her. Neben Berlin hat die Geschäftsleitung die neuen Bundesländer im Blick. »Ramazotti hat Mampe quasi nachgemacht«, sagt Löhlein zu »nd«. An Selbstbewusstsein mangelt es also nicht – ebensowenig wie an einem Buch, das den Mythos Mampe festhält.
Marcellinus Prien und Lothar Uebel: »Berliner Elefantenmarke. Die Geschichte der Likörfabrik Mampe«, Bebra Verlag, 144 Seiten, 24 Euro.