nd-aktuell.de / 17.03.2023 / Reise / Seite 1

Südpfalz: Wandertour am Mandelpfad

Im März blühen in der Südpfalz bereits die Mandelbäume

Norbert Eisele-Hein

Der Startschuss für die Tour de Rosa ertönt in Edenkoben. Dort wird seit über 1200 Jahren Wein angebaut. Die Rebstöcke erstrecken sich über ein Territorium von 510 Hektar. Somit gilt die Gemeinde in Rheinland-Pfalz als eine der größten Weinbaugemeinden Deutschlands. Der nahe, knapp 100 Kilometer lange Mandelpfad leuchtet schon von Weitem hervor, betört im Nu die Sinne. Diese unglaubliche Farbsymphonie aus weiß und rosa blühenden Mandelbäumchen wirkt sofort auf die Psyche. Zumal der Blütenreigen auch noch einen feinen Duft nach frisch gewaschener Wäsche verströmt. Wir schnuppern intensiv an den Blüten, stolpern wie benommen mit einem Dauergrinsen von Baum zu Baum. Während in Bayern noch Schnee geschippt wird und im hohen Norden dem Spaziergänger immer noch eine steife Brise um das Kinn weht, strahlt hier, im mediterranen Klima der Südpfalz, die Sonne. Das rosa Blütenmeer fegt die Frühjahrsmüdigkeit quasi über Nacht hinfort, weckt die Sinne und die Lebenslust.

Die Vorbereitungen für die ersten Weinfeste Deutschlands in Edenkoben und Gimmeldingen sind bereits in vollem Gange. Die alten Weinpressen und Fuhrwerke entlang der Edenkobener Mandelmeile werden festlich geschmückt, die Liebeslauben auf dem Weinlehrpfad herausgeputzt. Bierbänke und Tische werden aufgestellt, Schänken eingerichtet. Mutig wagen wir uns an eine opulente Portion deutscher Kulturgeschichte ran. Der Pfälzer Saumagen, den Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl so sehr liebte und die Kunde darüber so offenherzig und hemdsärmelig auf der ganzen Welt verbreitete, überrascht regelrecht. Wir hatten uns – angesichts des kruden Namens – auf ein heftig schweres, mittelalterliches Mahl eingestellt. Aber nein, der Saumagen ist eben kein monumentaler Fleischberg. Er wird in Scheiben serviert. Schweinefleisch, Kartoffeln und Gemüse werden fein gewürzt von beiden Seiten angebraten.

Die Wanderstrecke des Mandelpfades orientiert sich grob an der Deutschen Weinstraße, macht aber immer wieder vorbildlich markierte Extraschlenker durch den rosaroten Blütenzauber und verknüpft mit zahllosen Wander- und Radrouten durch diese opulente Kulturlandschaft. Ganz nebenbei reiht er unzählige Bilderbuchdörfer mit mittelalterlich anmutenden Fachwerkhäusern und traditionellen Winzerhöfen wie Perlen an einer Kette auf.

Auch Siebeldingen ist so ein Kleinod, wo jeder Blick einer Postkarte gleicht. Etwas außerhalb, inmitten der Weinberge, befindet sich im Geilweiler Hof ein Ableger des Julius-Kühn-Instituts. Das architektonisch prächtige Karrée mit seinem auffallenden Wehrturm beherbergt die Bundesforschungsanstalt für Rebenzüchtung. Hier werden alte Rebsorten gepflegt und neue erschaffen. Die Forschung zielt auf besonders widerstandsfähige Neuzüchtungen, die auch mit dem Klimawandel gut zurechtkommen. Rings um das Institut strahlen die Mandelbaumalleen wie Leuchtstreifen aus dem Grün der Weinlagen und setzen bei jedem Blick Glückshormone in uns frei.

So beseelt landen wir weiter südlich beim Leinsweiler Hof, treffen dort auf die Kultur- und Weinbotschafterin Gudrun Stübinger-Kohls. Unter einem weit ausladenden Mandelbaum am Parkplatz des Wellnesshotels startet ihre Mandeltour. »Im März 2008 wurde der Mandelpfad eröffnet und verlief anfangs von Maikammer bis Leinsweiler. Doch er wurde kontinuierlich erweitert und reicht heute von Bockenheim bis zum Deutschen Weintor bei Schweigen-Rechtenbach an der Grenze zum Elsass.« Schon zupft sie ein paar Blüten vom Baum und lässt uns daran schnuppern. »Es gibt circa 30 Mandelsorten. Die Bäume werden bis zu 60 Jahre alt. Wer weiß, welche Farbe die Blüten der Bittermandel haben? Weiß oder rosa?« Im Verlauf der zweistündigen Führung reicht uns die Mandel-Expertin Schalen verschiedener Mandelsorten zum Tasten und Mandelgebäck zum Probieren. Unten in Leinsweiler holt sie im Dorfladen kurz einen Winzer hinzu, der uns in die Geheimnisse der Mandeldestillate einweiht und uns selbstverständlich einen Mandelschnaps kosten lässt.

Neben Mandeln gedeihen in der südlichen Pfalz auch Kiwis, Feigen und Esskastanien. Den vielen Sonnenstunden und dem geringen Niederschlag sei Dank. Zudem schützt der Pfälzerwald das Gebiet der Weinstraße wie eine Mauer vor der Kaltluft aus dem Westen. Die Pfalz war übrigens schon im 1. Jahrhundert nach Christus von Römern besiedelt und bis ins 5. Jahrhundert nach Christus Teil des römischen Imperiums. Die Römer waren es auch, die die Mandel über Persien und Griechenland in die Pfalz brachten – gemeinsam mit den ersten Weinreben. In der Folge blieben die Legionäre dann gerne in der Pfalz. Die tägliche Ration von zwei Litern Wein mundete vorzüglich, und die »Puls«, der ewige Getreidebrei, das Hauptnahrungsmittel der Soldaten, konnte hier wenigstens mit Mandelmehl angereichert werden. Später wurde der Mandelanbau wohl schon unter Karl dem Großen (747–814 n. Chr.) praktiziert. Die erste urkundliche Erwähnung fand sich 1454 bei Kurfürst Friedrich I., wonach die Stadt Neustadt zur Erhöhung ihrer Steuereinnahmen doch mehr Mandelbäume anpflanzen lassen sollte.

Die bis dahin schon unglaublich lohnende Tour endet am Slevogthof – natürlich unter blühenden Mandelbäumen. »Der deutsche Impressionismus wurde maßgeblich von Max Slevogt, Lovis Corinth und Max Liebermann geprägt. Und Slevogt fand seine Motive hier in seiner Heimat, der südlichen Pfalz«, erzählt Frau Stübinger-Kohls. Und schon im nächsten Moment überrascht sie uns mit zwei Picknickkörben voller Mandeldelikatessen und passendem Wein, die sie aus ihrem vorher bereits abgestellten Auto zaubert. Riechen, Tasten, Schmecken – diese Tour spricht alle Sinne an und bekommt zur Note eins noch ein Sternchen. Und ach ja, wer hätte es gedacht, die Bittermandel blüht übrigens rosa und wird meist zu Öl verarbeitet.

Am nächsten Morgen folgen wir dem Mandelpfad über Bad Bergzabern bis zum Deutschen Weintor bei Schweigen-Rechtenbach. Das monumentale Tor zu Ehren des Weinbaus steht hart an der Grenze zu Frankreich. Tagsüber ist es mit all seinen Gaststätten und Läden ein kesselnder Knotenpunkt für Weintouristen. Doch jetzt, kurz nach Feierabend kehrt Ruhe ein. Während der Pfälzer Mandelwochen (1.3. bis 16.4.2023) wird das Bauwerk, wie viele andere Sehenswürdigkeiten entlang des Mandelpfades, rosa illuminiert. Schon bald funkeln bei solch glasklarem Himmel die ersten Sterne und wirken in diesem Szenario fast schon wie rosa Sternenstaub. Wahrlich, das gibt es so nur in der Pfalz – und zwar zur Mandelblüte, im frühesten Frühling Deutschlands.

Der Autor reiste mit Unterstützung des Fremdenverkehrsamts Südliche Weinstraße.