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Die Linke Berlin: Dann eben Opposition

Berliner Linke hält Verhandlungen mit der SPD von Franziska Giffey für »eigentlich nicht mehr denkbar«

Noch sind Kultursenator Klaus Lederer, Sozialsenatorin Katja Kipping und Justizsenatorin Lena Kreck (alle Linke) nicht abgelöst. Aber ihre Partei versteht sich in Berlin ab sofort als oppositionelle Kraft zur kommenden Koalition aus CDU und SPD. Es sei »beschämend«, dass die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) es nach der Wiederholungswahl vom 12. Februar mit dem CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner machen wolle, findet die Linke-Landesvorsitzende Katina Schubert. Eine Ausbildungsplatzabgabe, einen Winterabschiebestopp, sozialen Wohnungsbau – all das werde es mit dem künftigen schwarz-roten Senat leider nicht geben, sagt Schubert am Freitagabend bei einem Landesparteitag im »nd«-Hochhaus am Franz-Mehring-Platz. Die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände werde »eine Beerdigung erster Klasse« bekommen, bedauert sie.

Die Vorwürfe an Linke und Grüne, warum mit ihnen eine Fortsetzung der bisherigen rot-grün-roten Koalition nicht zu machen sei, die seien »erstunken und erlogen«, schimpft sie. Verhandlungen mit Giffey seien jetzt, »auch wenn der Deal mit der CDU noch platzt, eigentlich nicht mehr denkbar«. Die Schlussfolgerung der Landesvorsitzenden: »Armel hochkrempeln und Oppositionsrolle annehmen.« In dreieinhalb Jahren ist die nächste reguläre Abgeordnetenhauswahl. Länger soll sich Kai Wegner nicht an der Spitze der Stadt halten. »Wir kommen wieder«, kündigt Schubert an. 

»Wir haben einen harten Winterwahlkampf hinter uns«, resümiert die 61-Jährige. Von null auf 100 sei eine Kampagne hochgefahren worden, an der man sonst anderthalb Jahre getüftelt hätte. Schubert dankt allen, die geholfen haben, nicht zuletzt dem unermüdlichen Spitzenkandidaten Lederer: »Klaus, es war großartig.«

Die erzielten 12,2 Prozent – »klar, das ist nicht unser Traumergebnis, aber es ist akzeptabel«. 14,1 Prozent waren es bei der Wahl im September 2021, die wegen zahlreicher Pannen wiederholt werden musste – ganz zu schweigen von den 22,6 Prozent, die von der alten PDS bei der Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2001 mit Gregor Gysi als Spitzenkandidat erzielt wurden und die zur historischen ersten Regierungsbeteiligung der Sozialisten in der wiedervereinigten Bundeshauptstadt geführt hatten.

Doch jetzt herrschten ganz andere Verhältnisse, insbesondere durch den desolaten Zustand der Bundespartei. Die Berliner Linke ist dennoch nicht eingebrochen, sondern hat sich nach den Worten von Schubert »noch einigermaßen gehalten«. Die Berliner Linke sei eine Marke für sich, meint sie.

Der Landesverband hatte versucht, den Wählern zu vermitteln, dass bei einer Abgeordnetenhauswahl nicht über Außenpolitik und den Krieg in der Ukraine abgestimmt werde. Es stand nicht einfach nur »Die Linke« auf den Wahlplakaten, sondern »Berliner Linke« – als sei das etwas völlig anderes. »Befremdlich« nennt Elisabeth Wissel dieses Vorgehen. Sie ist Linksfraktionschefin in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg und fragt, ob so schon eine Spaltung der Partei vollzogen werden sollte. Nach Ansicht von Wissel hat extreme Unzufriedenheit mit einer Verkehrspolitik, die tausende Parkplätze abschaffe, die Wähler zu rechten Parteien getrieben. Auch seien Äußerungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine nicht hilfreich gewesen.

Gemünzt ist das auf Senator Lederer, der solche Lieferungen befürwortet hatte. Einige Zuhörer sehen das anders. Sie rufen empört »Sahra« dazwischen und meinen damit nicht Lederers Haltung, sondern die Äußerungen der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht zum Krieg in der Ukraine. Die seien schädlich gewesen.

Philipp Wohlfeil, Linksfraktionschef in der BVV Treptow-Köpenick, hält Elisabeth Wissel entgegen, Wagenknechts »Manifest für Frieden« habe von vornherein die Tür weit nach rechts geöffnet. Das Manifest falle der Ukraine in den Rücken und belohne den Aggressor, den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Hinter Pazifismus werde die Liebe zu ihm versteckt. »Sahra Wagenknecht kokettiert heute schon wieder mit einer Parteineugründung. Ich werde sie nicht vermissen«, sagt Wohlfeil und erntet dafür von den einen Beifall und von den anderen Buh-Rufe.

Es sind aber nur Wissel und Wohlfeil, die dieses unvermeidliche Thema ansprechen. Ansonsten dominiert eine Stimmungslage aus Trotz, Mut und Unverzagtheit. So sagt die Abgeordnete Katalin Gennburg, wenn SPD-Bausenator Andreas Geisel »die Stadt verschenken will, dann kann er das ohne uns tun«. Die Linke will künftig eine schlagkräftige Opposition sein, die es dem CDU-Politiker Wegner schwer macht, unsoziale Vorhaben durchzusetzen und rassistische Vorurteile zu bedienen. Denn, wie Linksfraktionschef Carsten Schatz sagt: »Die CDU hat mit rassistischen Parolen Wahlkampf gemacht.«

Dabei war nicht jeder für eine Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition. Die Linksjugend war schon 2021 gegen dieses Bündnis und wäre es jetzt wieder, wie Vertreterin Lisa Pfitzmann betont. Aber das spielt nun vorerst keine Rolle. Zwar sagt Klaus Lederer: »Wir wissen, dass Koalitionsverhandlungen auch schiefgehen können und die SPD-Basis auch noch ein Wörtchen mitzureden hat.« Aber er mache sich da keine Illusionen, obwohl Rot-Grün-Rot wieder machbar gewesen wäre. »Wo ein Wille ist, da ist kein Wegner«, sagt Lederer. »Wir haben uns diesen Ausgang der Sondierungen nicht vorzuwerfen. An uns ist es nicht gescheitert.« 

Vizelandeschef Tobias Schulze wirft der SPD vor, sie habe die bisherige Koalition aus purer Parteitaktik weggeschenkt, um sich eine bessere Ausgangsposition für die Wahl 2026 zu verschaffen. Er beklagt den Verlust von »Gestaltungsmacht«.

Landesgeschäftsführer Sebastian Koch beklagt, dass die Linke in ihren traditionellen Hochburgen seit zehn Jahren immer weiter an Zustimmung einbüße. Es sei nicht leicht, diese Hochburgen zurückzugewinnen. Man müsse neue Wählerschichten ansprechen. Das funktioniere aber nicht, indem man immer weiter das Gleiche erzähle, nur lauter. 

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