nd-aktuell.de / 08.03.2023 / Wissen / Seite 1

Herrin der Daten

Lauren Gardner leitete den Covid-Tracker, der nun eingestellt wird

Kurt Stenger
Covid-Tracker: Herrin der Daten

Als »bittersüß« bezeichnet Lauren Gardner die Einstellung des Covid-19-Trackers, der weltweit einflussreichsten Informationsquelle in der Corona-Pandemie, an diesem Freitag. »Aber es ist ein geeigneter Zeitpunkt weiterzuziehen.«

Im Januar 2020 hatte die Epidemiologin an der Johns Hopkins University in Baltimore zusammen mit dem Studenten Ensheng Dong ein Dashboard für die Akademiker-Community erarbeitet. Das Interesse an Informationen über die Ausbreitung des noch unheimlichen Virus war indes riesig. Und als der Covid-19-Tracker Anfang März für alle öffentlich in Betrieb ging, gab es schnell rund eine Milliarde Aufrufe pro Tag. Politiker orientierten ihre Maßnahmen an den Daten, Krankenhäuser ihre Pandemieplanung, Einzelpersonen ihre Reisepläne.

Dass Gardner den richtigen Riecher hatte, liegt an ihrer Forschung. An Universitäten in den USA und in Australien hatte die heute 39-Jährige zuvor die Ausbreitung von Infektionskrankheiten entlang Verkehrsrouten in der globalisierten Welt untersucht, etwa 2015/16 beim Zika-Virus in Nord- und Südamerika. »Ich wusste, die Daten haben einen enormen Wert, weil ich immer dort arbeitete, wo wir solche Daten gebraucht hätten und sie nicht hatten«, sagte sie einmal.

Gardner und ihre Mitstreiter setzten neue Standards bei Methodik, Visualisierung und Zugänglichkeit. Erstmals gab es in einer Pandemie verlässliche Echtzeit-Daten – Quellen waren die Weltgesundheitsorganisation, Behörden, lokale Medien und Gesundheitseinrichtungen. Die BBC zählte die gebürtige Texanerin 2020 zu den 100 einflussreichsten Frauen wegen der »Demokratisierung von Daten«. Die Jury des Lasker-Bloomberg-Preises 2022 erklärte, der Covid-Tracker »durchbrach den Lärm der Fehlinformationen«.

Dass er eingestellt wird, liegt an der veränderten Corona-Lage, aber auch daran, dass vor Ort immer weniger Daten erhoben werden. Und so ist Gardner etwas frustriert, dass, wie sie sagt, »wir aus dieser Krise herauskommen, ohne den Willen sicherzustellen, dass die Daten beim nächstenmal vorhanden sind«.