nd-aktuell.de / 17.03.2023 / Kultur / Seite 1

Chers Erbinnen

Warum es sich als Frau in den USA gar nicht so schlecht lebt

Jana Talke

Howdy aus Texas, liebe Leser*innen, wie läuft Ihr Women’s History Month? Ja, Sie lesen richtig. In den USA wird nicht nur am 8. März der Weltfrauentag begangen, sondern einen ganzen Monat lang wichtiger Frauen gedacht. Nach dem Black History Month Februar und vor dem Arab American Heritage Month April. Als Patty im Burger der Minderheiten quasi. Bringt diese Ausweitung auf Monate denn irgendwas?

Vom Leben als Frau kann ich ein Lied singen. Groß geworden im russischen Machismo, schienen mir als Migrantenkind deutsche Frauen – zu Recht – so befreit. Sie kochen wenig, sie haben Ansprüche an ihren Partner (andere Ansprüche außer Geld? Nicht für Osteuropäerinnen!), sie kriegen relativ spät Kinder, sie reisen viel und sind gern allein. Der männliche Blick, er spielt in Deutschland eine viel geringere Rolle als anderswo. Es sei denn, er gehört Elyas M’Barek. Erst viel später wurde mir bewusst, dass deutsche Frauen – und mit ihnen natürlich auch ich – trotz aller Freiheiten oft Opfer von Sexismus und Diskriminierung werden. Ich war ungeachtet dieser Ungerechtigkeiten lange Zeit nicht wirklich feministisch eingestellt. Mir waren andere Sachen irgendwie wichtiger. Einen Mann kennenzulernen zum Beispiel. Mit oder ohne Geld, ganz egal (aber mit Geld schon lieber).

Bis ich Mutter eines Mädchens wurde. Dann wurde all das, was Frauen im letzten Jahrhundert für unsere Rechte getan haben, für mich heilig. Die Frauen, die überall auf der Welt für das Wahlrecht kämpften, Wissenschaftlerinnen wie Marie Curie, Politikerinnen wie Angela Merkel, Erfinderinnen wie Grace Hopper. Aber auch die Popsängerin Cher, die legendärerweise in einem Interview sagte, sie müsse nicht mehr reich heiraten, denn sie sei selbst schon ein reicher Mann. Chers Ansprüche sind so hoch, sie sind nicht mehr erfüllbar. Wobei – ich las gerade, dass sie sich mit einem 40 Jahre jüngeren Macker verlobt habe. Sie ist nun ein reicher alter Mann.

Und wo wir von den Künsten sprechen: Wie oft wurden Frauen aus der Kulturgeschichte ausgeschlossen? So erfand eigentlich Hilma af Klint abstrakte Kunst noch vor Wassily Kandinsky. Janet Sobel spritzte als Erste Farbe auf Leinwände, aber wir denken bei abstraktem Expressionismus nur an Jackson Pollock. Alice Guy-Blaché drehte 1896 den ersten fiktionalen Film überhaupt, aber ihre Werke wurden Männern zugeschrieben. Sehr gut also, dass die USA seit 1978 diesen Frauenmonat haben, der jedes Jahr herausragende Frauen in bestimmten Domänen vorstellt und auszeichnet. Den nicht Herausragenden würden ein paar Vergünstigungen im Monat März auch nicht schaden, da bin ich mir sicher. Und was ist generell zur Lage von Frauen in Amerika zu sagen? Ich lebe ja in einem Bundesstaat, in dem vor Kurzem Abtreibungen verboten wurden, und zwar ohne Ausnahme. Es ist schon ein bizarres Schauspiel. Kein Mutterschutz, kein Hebammensystem, horrende Preise für Entbindungen, eine hohe Anzahl an Hausfrauen. Und dann noch diese Seniorenpräsidenten! Trotzdem scheinen mir Amerikanerinnen zufriedener und selbstbewusster als alle anderen Frauen, die ich kenne. Auch ich gehöre heute zu diesen Frauen.

Und nein, ich bin nicht naiv. Es gibt Länder, in denen Frauen öffentlich gezüchtigt werden, zwangsverheiratet oder genitalverstümmelt. Von nicht vorhandenen LGBTQI-Rechten ganz zu schweigen. Und nein, wir im Westen sind nicht sicher vor religiösem Fanatismus und der Sittenpolizei. Aber die junge amerikanische Generation gibt mir Hoffnung. Wie ungeniert Mädchen auf TikTok über ihre Sexualität und männliche Unzulänglichkeiten sprechen, ist unglaublich erfrischend. In einem viralen Video beispielsweise ließ eine ihr Date im Restaurant sitzen. Der Typ schien ihr zu geizig, hatte er doch die Extra-Käsescheibe für seinen Burger abgelehnt, weil sie drei Dollar kostete. Sie zahlte sein Essen, blockierte seine Nummer und postete drüber. Verrückt? Und wie! Aber sehr cherhaft. Die Z-Generation erwartet, dass Männer sich ändern. Das Gute ist, wir Frauen dürfen endlich bleiben, wie wir sind.