nd-aktuell.de / 26.03.2023 / Berlin / Seite 1

Königliches Verkehrschaos

Nicht nur die Bestreikung der Bahn stellt Herausforderung für die Berliner Mobilität dar

Lola Zeller

An diesem Montag müssen die Berliner*innen bis zum Nachmittag ohne S-Bahn-Verkehr auskommen. Weil von den Arbeitgeberverbänden noch kein annehmbares Angebot vorliegt, gehen die Streiks im öffentlichen Dienst weiter, und so befinden sich an diesem Warnstreiktag[1] auch die Mitarbeiter*innen der Deutschen Bahn im Ausstand. »Aufgrund des Streiks können in der Zeit von 4 bis 15 Uhr keine Zugfahrten im S-Bahnnetz angeboten werden«, so meldet die S-Bahn. Um sich trotzdem im öffentlichen Nahverkehr durch die Stadt zu bewegen, muss auf die Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen der Berliner Verkehrsgesellschaft umgestiegen werden, denn diese werden nicht bestreikt.

Während die Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst durch solche Maßnahmen für eine gerechte Bezahlung kämpfen müssen, steht der Hauptstadt allerdings im Laufe der Woche weiteres Verkehrschaos bevor: Der Staatsbesuch von König Charles III. Der Monarch wird planmäßig von Mittwoch bis Freitag in Deutschland sein und davon einige Zeit in Berlin verbringen.

Wegen der Terminliste darf es keine Staus geben und wegen der Sicherheit dürfen die Autos auch nicht an roten Ampeln warten, das meldet die Deutsche Presse-Agentur. Um den König samt Gattin Camilla ohne Verzögerungen zu seinen zahlreichen Terminen zu bringen, werden ganze Bereiche und Straßen abgesperrt werden. Damit das Ehepaar also reibungslos durch die Stadt kommt, müssen stattdessen Berliner*innen, die auf den Straßen unterwegs sind, mit Verkehrsbehinderungen und Staus rechnen.

Zum Ausgleich will das royale Ehepaar seine Bürger*innennähe direkt zu Beginn ihres Besuchs demonstrieren. Statt wie sonst üblich vor dem Schloss Bellevue werden die beiden am Mittwochnachmittag vor dem Brandenburger Tor mit militärischen Ehren begrüßt, damit noch mehr Menschen das ganze Spektakel um den britischen Monarchen anschauen können. Wer das Königspaar zu Gesicht bekommen will, muss allerdings sehr früh erscheinen und sich kontrollieren lassen.

Charles und Camilla haben es nicht so weit zum Pariser Platz, denn sie wohnen im Luxushotel Adlon. Während ihres Besuches sind sie in einer Bentley-Luxuslimousine unterwegs, begleitet von einer Wagenkolonne aus Mitarbeiter*innen, Polizei, Vertreter*innen des deutschen Staates sowie der britischen Botschaft. Mehrfach fährt der Tross am Mittwoch zwischen dem Schloss Bellevue und dem Adlon hin und her. Am Donnerstag geht es morgens zum Bundestag und mittags nach Tegel zum Ankunftszentrum für ukrainische Geflüchtete. Später fährt die Kolonne nach Brandenburg, danach soll es nach Hamburg weitergehen.

Nicht nur der Berliner Verkehr wird für den König unterbrochen, sondern auch die 94. Plenarsitzung im Bundestag. Dort soll es eine Sonderveranstaltung geben, so teilt der Bundestag auf seiner Webseite mit, während derer König Charles III. eine Rede halten werde. Demgegenüber kritisch äußerte sich schon im Februar der Bundestagsabgeordnete Jan Korte (Linke) in einer Rede am Politischen Achermittwoch in Bernau bei Berlin[2]. Im Bundestag sollten eigentlich nur gewählte Staatsoberhäupter reden und nicht König Charles, sagte er.

Die geplante königliche Reise nach Frankreich, die noch vor dem Besuch in Deutschland stattfinden sollte, wurde derweil wegen der heftigen Proteste gegen die Rentenreform Macrons[3] auf einen noch unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Alle, die die britische Monarchie etwa wegen ihrer Beteiligung an schlimmsten kolonialen Verbrechen ablehnen, können sich also ein Vorbild an der französischen Streikkultur[4] nehmen, die König Charles bislang fernhält. mit dpa.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171980.verkehrsstreik-warnstreik-frechheit-zum-quadrat.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171213.kabarett-bernaus-linke-laesst-die-huellen-fallen.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171946.aktionstag-neue-proteste-gegen-rentenreform-in-frankreich.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171965.frankreich-proteste-in-deutschland-ins-buero-statt-auf-die-barrikaden.html