nd-aktuell.de / 30.03.2023 / Berlin / Seite 1

Drugchecking in Berlin: Gütesiegel mit Verspätung

Drugchecking-Pilotprojekt kommt – nur wann, bleibt unklar

Marten Brehmer

Zusammensetzung, Streckmittel, Verunreinigungen: Wer Drogen auf dem Schwarzmarkt kauft, kann nie wirklich sicher sein, was er konsumiert. Unabhängig lassen sich die Rauschmittel nicht prüfen. Das soll sich jetzt ändern: Der Senat plant, ein sogenanntes Drugchecking zu etablieren. Partygänger können dann Proben ihrer Pillen und Pulver bei einer Stelle abgeben, die im Anschluss im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin analysiert werden. Anonymisiert mit einem Nummernsystem erhalten die Konsumenten dann einen Report, der sie im Zweifelsfall etwa vor hochdosierten Pillen oder verunreinigtem Pulver warnen soll.

Angekündigt war, dass das Drugchecking im März beginnen soll.[1] Doch dieser Zeitplan kann offensichtlich nicht eingehalten werden. Tamara Lüdke, Sprecherin für Clubkultur der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, berichtet in einer Presseaussendung, dass aktuell noch eine der zwei für das Projekt vorgesehenen Stellen unbesetzt sei. Aktuell prüfe man noch die geplanten Abläufe, von einem tatsächlichen Start sei das Projekt weit entfernt. Die ursprüngliche Ankündigung sei »übereilt« gewesen, heißt es in der Pressemitteilung.

»Uns wurde kommuniziert, dass kein Starttermin mehr genannt werden kann«, sagt Lüdke zu »nd«. Das Interesse an dem Thema sei groß. Mit dem Hin und Her verunsichere die Senatsgesundheitsverwaltung aber die potenzielle Kundschaft. Die unklare Kommunikation erweise der Sache »einen Bärendienst«, so Lüdke. Dass der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten werden könne, sei »verständlich«, die Verzögerung trotzdem »ärgerlich«.

Auf Anfrage von »nd« bestätigt die Pressestelle der Senatsgesundheitsverwaltung, dass das Drugchecking mit Verzögerungen starten wird. Demnach werde die zweite Stelle für eine technische Mitarbeiterin im Projekt im Mai besetzt. Im Anschluss wird mit einer vierwöchigen Einarbeitungszeit gerechnet. Zum Start des Projekts heißt es knapp, man wolle »so früh wie möglich« in die Laboranalyse gehen, eventuell zunächst nur mit wenigen Proben in der Woche.

Die Landessuchtbeauftragte, die für das Projekt verantwortlich ist, nimmt Lüdke dabei explizit in Schutz. Es sei sinnvoll, die Abläufe genau zu prüfen, um sichere und legale Verfahren sicherzustellen. Das Drugchecking bewegt sich in einem rechtlichen Graubereich.[2] Damit sich die Mitarbeiter nicht strafbar machen, wird penibel darauf geachtet, dass sie nicht mit den illegalen Substanzen in Berührung kommen. Lüdke vermutet auch, dass der Fachkräftemangel die Besetzung der offenen Stellen erschwert habe.

Andere Beteiligte warten nur darauf, dass es losgeht: Die drei Vereine Fixpunkt, Vista und Schwulenberatung sollen jeweils eine Anlaufstelle betreuen, bei der Konsumenten ihre Proben abgeben können. Die Prüfung der Stoffe übernimmt dann das Landesinstitut. Die Träger seien »so startklar, wie man es zu diesem Zeitpunkt sein kann«, berichtet Lüdke. Im Rahmen der Prüfung der Abläufe könnte aber noch Nachbesserungsbedarf entstehen.

Teil des Drugcheckings soll auch Beratung sein. Die Mitarbeiter der Abgabestellen sollen Konsumenten auf die Gefahren von Mischkonsum und hochdosierten Stoffen hinweisen – ausgehend von den konkreten Drogen, die zum Checking gebracht werden. Aber auch Suchtberatung soll in den Anlaufstellen zumindest angestoßen werden. »Der Gedanke ist schon, dass man auch mal sagen kann: ›Du bist jetzt schon zum dritten Mal diesen Monat hier, sollen wir uns nicht mal in Ruhe unterhalten?‹«, sagt Lüdke. »Das ist ein großer Vorteil.«

Damit das Projekt aber wirklich angenommen wird, wünscht sie sich, dass das Angebot für die Konsumenten attraktiv ist. Aktuell sieht das Konzept vor, dass die Ergebnisse des Drugchecks erst nach drei Tagen vorliegen. Weil sich die Anlaufstellen vor allem an Konsumenten von Partydrogen richten, werden sie daher wahrscheinlich nur am Montag und Dienstag geöffnet sein, damit die Partygänger zum Freitag das Ergebnis erhalten.

Lüdke findet es zwar nachvollziehbar, dass es zu Beginn noch eher gemächlich läuft, wünscht sich langfristig aber ein Konzept für sogenannte Eventchecks. Das sind Zelte in unmittelbarer Nähe zu Clubs oder Festivals, in denen Nachtschwärmer ihre Drogen testen lassen können und innerhalb von einer Stunde ein Ergebnis erhalten. »Man könnte das auf dem Tempelhofer Feld aufstellen, wenn dort Festivals stattfinden, oder an einem zentralen Platz im Szenebezirk«, schlägt sie vor.

Dafür gibt es internationale Vorbilder. »In Wien gibt es schon ein geiles Konzept«, sagt Lüdke. »Das Angebot muss niederschwellig sein.« Sollten die Drugchecking-Anlaufstellen unattraktiv sein, bestünde die Gefahr, dass sie nicht häufig aufgesucht werden. »Es wäre der Super-Gau, wenn es eingestellt werden muss, weil es zu wenig Nachfrage gibt«, sagt Lüdke. »Wenn das Angebot stimmt, gibt es aber auch eine Nachfrage.« Sie kann sich vorstellen, dass langfristig auch Apotheken als Abgabestellen fungieren könnten.

Für Lüdke wäre ein funktionierendes Drugchecking ein wichtiger Fortschritt. »Drugchecks verhindern Todesfälle«, argumentiert sie. Studien zeigten, dass die Tests das Konsumverhalten änderten. »Das Risiko von Überdosen sinkt enorm«, sagt sie. Weil in den Anlaufstellen auch beraten werde, sei Drugchecking auch Suchtprävention. Zugleich böten sie die Möglichkeit, bei Nachfragen kompetente Antworten zu geben. »Es soll Reflexion über den Konsum ermöglicht werden«, sagt Lüdke.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1105355.drugchecking-stiftung-drogentest.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168930.drogenpolitik-dem-rausch-mehr-raum-schaffen.html