nd-aktuell.de / 22.05.2023 / Kommentare / Seite 1

Florida: Nationalmythos statt Geschichte

NAACP warnt vor Reisen nach Florida

Julian Hitschler
Schüler*innen in Memphis, Tennessee: An den Schulen in den USA tobt ein bitterer Kampf um das Selbstbild der Nation, Unterricht über die Schattenseiten der US-Geschichte wird zunehmend verboten.
Schüler*innen in Memphis, Tennessee: An den Schulen in den USA tobt ein bitterer Kampf um das Selbstbild der Nation, Unterricht über die Schattenseiten der US-Geschichte wird zunehmend verboten.

Die Reisewarnung für den Bundesstaat Florida der NAACP, einer der ältesten und ehrwürdigsten Bürgerrechtsorganisationen in den USA, setzt ein deutliches Zeichen. Floridas Gouverneur Ron DeSantis und seine Republikaner haben so lange Angst vor der Verbreitung von »kritischer Theorie« zum Thema Rassismus an den Schulen geschürt, dass die neue, restriktive Gesetzgebung die Lehrer*innen praktisch zur Geschichtsklitterung verpflichtet. In einem Südstaat wie Florida ist ein solcher Maulkorb besonders perfide.

Die US-Rechte sieht den Rassismus als Sache der Vergangenheit – doch noch immer sind rassistisch diskriminierte Minderheiten in den USA auf vielfältige Weise benachteiligt, vor allem dann, wenn sie aus der Arbeiterklasse stammen. Die Black-Lives-Matter-Proteste prangerten das hohle Gleichheitsversprechen der gegenwärtigen US-Gesellschaft zurecht an. Ähnlich wie beim Thema LGBTQ-Rechte versuchen die Konservativen, durch ihre Zensurpolitik vor allem die Illusion aufrechtzuerhalten, die USA seien von selbst humaner geworden: Vergessen werden soll, dass hierfür harte und radikale Kämpfe geführt werden mussten.