Staatliche Förderung für die Laserfusion

Expertenkommission sieht langfristig Potenzial, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen

  • Manfred Ronzheimer
  • Lesedauer: 4 Min.

In die Fusionsforschung ist wieder Bewegung gekommen. Auch Deutschland will bei den Perspektiven für eine atomare Energiequelle mithalten und hat ein neues Förderprogramm aufgelegt. Allerdings wird die Technik, die die Verschmelzung von Atomkernen in der Sonne nachahmt, für die aktuelle Herausforderung der Energiewende zu spät kommen.

Den Anstoß zum neuen Hype um die Fusionsforschung hatten im Dezember amerikanische Energiewissenschaftler gegeben. Im Labor konnten sie unter Laserbeschuss eine Verschmelzung von Wasserstoff-Atomkernen erreichen. Der springende Punkt dabei: Die durch die Fusion der Atomteilchen entstandene Energie war in der Summe größer als die Energie des Lasers. Die »Laserfusion« oder auch laserbasierte Trägheitsfusion weckt seitdem wieder Hoffnungen auf eine neue, umweltfreundliche Energiequelle. Ganz frei von Radioaktivität ist aber auch die Kernfusion nicht: Energiereiche Neutronen aktivieren die umgebenden Wände der Reaktion, wodurch – wenngleich relativ kurzlebiger – radioaktiver Abfall entstehen würde.

Magnetfusion tritt auf der Stelle

Nach Berechnungen der Max-Planck-Gesellschaft kann ein Gramm Brennstoff in einem Fusionskraftwerk 90 000 Kilowattstunden Energie erzeugen, was der Verbrennungswärme von 11 Tonnen Kohle entspricht. Während die Kernspaltung in Atomkraftwerken heute weiterhin ein Teil der internationalen Energiegewinnung ist, tritt die Kernfusion in der Variante der bisher verfolgten Magnetfusion beim Bau eines funktionsfähigen Reaktors seit Jahrzehnten auf der Stelle. Die größten und milliardenschweren Projekte sind die Versuchsreaktoren »Iter« in Frankreich und »Wendelstein X7« im deutschen Greifswald.

Für den Leiter des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen, Constantin Häfner, stellt das Experiment der US-amerikanischen National Ignition Facility im Lawrence Livermore National Lab einen historischen Fortschritt dar. »Der weltweit erste Beweis der wissenschaftlichen Machbarkeit in der lasergetriebenen Trägheitsfusion im Dezember 2022 betont die Bedeutung langfristiger öffentlicher Investitionen in die Wissenschaft, ohne die wir heute diesen Durchbruch nicht erreicht hätten«, hebt der Wissenschaftler hervor. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhielt Häfner daher den Auftrag, mit einer internationalen Expertenkommission Vorschläge für die weitere Entwicklung der Fusionsforschung zu erarbeiten, die jetzt im Mai an Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger übergeben wurden.

Kein Kraftwerk in diesem Jahrzehnt

Das Gremium gelangte zu der Einschätzung, »dass die Fusion eine kontinuierliche, saubere und effiziente Energieversorgung durch einen unerschöpflichen Treibstoff ermöglicht«. Sie besitze, wie Häfner bei der Vorstellung des Berichts sagte, »das Potenzial, langfristig einen bedeutenden Beitrag zur deutschen Energieversorgung zu leisten und die Resilienz des Landes durch eine vielfältige Energieversorgung zu stärken«. Um die Fusionstechnologie schnellstmöglich umzusetzen, sei es entscheidend, »jetzt ein Innovationsökosystem aufzubauen«, in dem Industrie und öffentliche Forschung gemeinsam die Technik für ein Fusionskraftwerk entwickeln können. Die Erwartung der Ministerin, bereits innerhalb eines Jahrzehnts zu einem funktionsfähigen Fusionskraftwerk zu gelangen, konnte der Fraunhofer-Forscher bei Übergabe des 152-Seiten-Berichts mit insgesamt 16 Empfehlungen nicht bekräftigen. Dieser Prozess werde wesentlich länger dauern.

Stark-Watzinger wertete das Memorandum der Expertenkommission zur Laserfusion als »wichtigen Beitrag«. Es beinhalte »eine offene Analyse und wertvolle Empfehlungen«, so die Ministerin. »Deutschland hat bei der Zukunftsenergie Fusion viel beizutragen, insbesondere durch sein Know-how in der Lasertechnik«. Das BMBF werde dazu beitragen, »die richtigen Rahmenbedingungen für den Fusionsstandort Deutschland zu schaffen« und die »Forschungsförderung noch zielgenauer auszurichten«, versprach die FDP-Politikerin.

Auch der Bundestag hat die Zukunftstechnologie in der letzten Woche debattiert. »Wir reden hier über eine Technologie, die wir nicht allein mit Staatsgeldern, sondern nur mit zusätzlichen privaten Investitionen nach vorne bringen werden«, sagte der forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, zur Begründung eines Antrags seiner Fraktion. Perspektivisch werde es um Investments in zweistelliger Milliardenhöhe gehen, was nur von privater Seite zu stemmen sei, sofern der Staat die entsprechenden Regularien beschlossen habe. Dass schon Bewegung in den Markt komme, zeigt sich nach Worten Jarzombeks darin, »dass es jetzt den ersten kommerziellen Vertrag über Fusionsenergie mit dem amerikanischen Start-up Helion gibt, ab 2028 Fusionsenergie im Umfang von 50 Megawatt an Microsoft zu liefern – und das mit Vertragsstrafen bewehrt«. Die Entwicklung verlaufe offenkundig sehr viel schneller als erwartet.

Atomforscher gründen Unternehmen

Auch in Deutschland gibt es Ansätze zur Fusion im wirtschaftlichen Bereich, vorerst aber nur im Start-up-Maßstab. So hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen, SprinD, jetzt bei zwei Gründerunternehmen Aufträge über 50 Millionen Euro platziert. Im Januar haben fünf Atomwissenschaftler in München das Unternehmen »Proxima« gegründet. Sie wollen, anders als ihre deutschen Wettbewerber »Marvel Fusion« und »Focused Energy«, die auf die laserbasierte Trägheitsfusion setzen, die Entwicklung in der magnetischen Kernfusion vorantreiben. Für ihr Ziel, schon 2031 ein erstes Demonstrationskraftwerk zu starten, konnten die Proxima-Gründer sieben Millionen Euro in einer ersten Finanzierungsrunde einsammeln. Das Geld kommt unter anderem vom staatlichen Hightech-Gründerfonds.

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