Deutschland tritt bei der U21-EM als Titelverteidiger an. Ist das für Sie mehr Bürde oder Herausforderung?
Zuerst einmal will ich klarstellen, dass diese Mannschaft kein Titelverteidiger ist, denn bei der U21 spielen wir alle zwei Jahre mit neuen Jahrgängen. Von der aktuellen Mannschaft war beim Titelgewinn im Juni 2021[1] nur Josha Vagnoman dabei. Da ich als Co-Trainer bereits Teil des gesamten Teams war, denke ich gerne an diese Zeit zurück. Und der Titel von damals ist keine Bürde für mich, sondern heute ein Ansporn. Wir wissen, was es braucht, um einen Titel zu holen. Dazu gehören neben dem Teamgeist die richtige Taktik und unter anderem auch das nötige Spielglück. Alles, was wir selbst beeinflussen können, werden wir zu 100 Prozent angehen.
Nach der katastrophalen WM in Katar[2] fährt der DFB eine neue Medien- und Fanstrategie: mehr auf die Menschen zugehen, den Fans mehr Aufmerksamkeit schenken. Was dürfen wir diesbezüglich bei dem Turnier in Georgien und Rumänien erwarten?
Wir führen mit der U21 bereits seit 2017 unsere Aktion #Herzzeigen[3] durch, mit der wir regelmäßig soziale Einrichtungen besuchen oder zu uns einladen. Bei unserem letzten Treffen im März hatten wir beispielsweise die »Du musst kämpfen«-Initiative zu Besuch im Teamhotel, die sich um krebskranke Kinder kümmert. Im Trainingslager in Südtirol haben wir nach unserem öffentlichen Training noch mit Kindern des örtlichen Fußballvereins trainiert. Das Gleiche machen wir auch in Georgien.
Wie eng ist Ihre Zusammenarbeit mit Bundestrainer Hansi Flick[4]?
Wir arbeiten eng zusammen, vor allem natürlich vor Länderspielphasen. Da haben wir fast täglich Kontakt und tauschen uns über Spieler und deren Leistungen aus den letzten Partien aus. In den letzten Lehrgängen gab es ja viele Überschneidungen von Spielern, die in beiden Teams zum Einsatz kamen. Hansi ist nicht nur ein überragender Trainer, sondern auch ein angenehmer Mensch.
Werden wir die Jungstars Youssoufa Moukoko, Florian Wirtz, Karin Adeyemi oder Jamal Musiala bewundern dürfen?
Youssoufa ist für die U21-EM[5] nominiert und wird hoffentlich seine starke Quote bei uns (fünf Spiele, sechs Tore; Anm. d. Red) fortsetzen können. Florian hat die U21-EM 2021 gespielt und mit uns den Titel gewonnen. Er ist mittlerweile bereits eine wichtige Säule in Hansis Planungen, genauso wie Jamal Musiala. Karim Adeyemi war ebenfalls Teil der U21-EM vor zwei Jahren. Er hat sich im Saisonendspurt allerdings leider verletzt.
Fußballer sollen Vorbilder für junge Menschen sein, die heutige Gesellschaft erwartet von den Kickern eine Meinung zu den drängenden Fragen der Zeit. Wie schaffen Sie es, einerseits den gesellschaftlichen Forderungen gerecht zu werden, andererseits die Konzentration auf den Fußball nicht zu verlieren?
Für uns steht erst einmal die fußballerische Performance im Vordergrund – wir sind eine Mannschaft im absoluten Spitzenbereich, da geht es um Leistung. Daneben fördern wir bei den Spielern die Eigenverantwortlichkeit. Sie sollen sich selbst Gedanken machen, Entscheidungen treffen, über mögliche Konsequenzen nachdenken und sie dann auch tragen. Neben den sportlichen Aufgaben integrieren wir – wie beschrieben – auch immer wieder gesellschaftliche Themen über unsere #Herzzeigen-Aktionen.
Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus der unglücklichen Bindendiskussion bei der WM in Katar[6] und dem deutschen Mannschaftsfoto vor dem Spiel gegen Japan, als die deutschen Spieler die Hand vor den Mund hielten, um die Bevormundung durch den Weltverband Fifa anzuprangern?
Das hat uns gezeigt, dass man Fußball und Politik nicht voneinander trennen kann, spielt aber für unser Turnier keine Rolle.
Fußball kann also nicht unpolitisch sein?
Der Fußball ist so ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, dass er sich von politischen Themen nicht freimachen kann. Er sollte nur nicht instrumentalisiert werden.
Georgien grenzt an Russland. Glauben Sie, der Krieg in der Ukraine wird ins Turnier getragen? Haben Sie Angst davor?
Wir beobachten die politische Lage in Georgien, die sich im Vergleich zum Jahresanfang glücklicherweise verbessert hat. Angst haben wir keine, hoffen aber, dass es während des Turniers ruhig bleibt.
Sie waren mit der Mannschaft gerade im Trainingslager in Italien. Wie ist die Stimmung?
Die Stimmung war sehr gut. Wir hatten dort auf dem Platz und außerhalb Top-Bedingungen. Der ganze Ort Prad hat uns sehr herzlich empfangen – mit Jugendspielern des Ortsvereins und einer Blaskapelle. Nun liegt es an uns, das Beste daraus zu machen.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Die Biografie von Roger Federer.