»Für einen Laib Brot mussten die Kinder eine ganze Stunde lang die Körner mahlen«, sagt Archäologe Daniel Meendermann. Die Kinder, die sich just in diesem Moment an der Handmühle abmühen, um den großen Mühlstein mit der Holzstange im Kreis zu drehen, merken schnell, wie aufwendig das ist. »Das war schon eine ganz schöne Maloche, das Ganze«, kommentiert der Archäologe während der Führung im Museumsdorf Düppel[1]. Hier in Nikolassee wurde zwischen 1975 bis 2008 ein mittelalterliches Dorf rekonstruiert, nachdem Überreste einer Siedlung gefunden worden waren, die vor etwa 800 Jahren an diesem Ort existierte.
Es war der 14-jährige Schüler Horst Trzeciak, der 1939 das erste Indiz für das Dorf entdeckt hatte. »Er lief über einen Acker und fand so etwas hier«, sagt Meendermann und reicht eine handgroße Keramikscherbe an die Besucher*innen. Einige Zeit verging nach diesem Fund, bis von 1965 bis 1990 die archäologischen Ausgrabungen stattfanden, die Grundlage für die nun zu betrachtenden Rekonstruktionen des Dorfes[2] waren.
»Man hat zwei Meter tief gegraben und dann große schwarze Flecken gefunden«, sagt der Archäologe und erklärt, dass diese von den Hauspfosten aus Holz stammten, die nach Zerfall der Mittelalterdorfes im Boden vermoderten. »Die Spuren bleiben für Tausende von Jahren. Durch sie wissen wir genau, wo die Häuser damals standen.«
Das Dorf existierte in etwa von 1170 bis 1220. Warum es danach verlassen wurde, weiß man bis heute nicht, sagt Meendermann. »Eine Brandkatastrophe gab es jedenfalls nicht.« Ein solches Szenario hätte unverkennbare Spuren in der Erde hinterlassen, solche gebe es hier nicht.
Der große Dorfplatz ist das Kernstück des Freilichtmuseums. Hier befindet sich zentral das Backhaus mit der Handmühle, an der die Kinder sich ausprobieren können, zudem ein Heuspeicher und einige Bäume auf der Wiesenfläche. Ringsum stehen die mittelalterlichen Häuser; insgesamt wurden 13 davon in Düppel wiederaufgebaut. Diese bestehen aus Holz und Lehm, die Dächer sind mit Reet gedeckt, also mit getrocknetem Schilfrohr[3], das zu jener Zeit viel in der Umgebung wuchs.
In den Hütten selbst lässt sich das mittelalterliche Leben im Innenraum begutachten. Sie sind einfach ausgestattet mit Betten, Tischen und Bänken und kleinen Feuerstellen. Die Eingänge sind so niedrig, dass die Besucher*innen, die keine Kinder sind, sich ziemlich weit nach unten bücken müssen, um die Hütten zu betreten. Auch Holz- und Keramik-Geschirr ist dort ausgestellt, auf kleinen Dachböden liegen zum Beispiel Stroh und Taue. Daneben gibt es weitere Hütten, in denen die damalige Produktionsarbeit nachgebildet ist; etwa eine Töpferei und eine Schmiede oder verschiedene Webstuhlmodelle zur Garnherstellung sind zu finden.
Ein Teil des Dorfes ist von einer großen hölzernen Palisade begrenzt. Dass der Rest offen ist, könnte daran gelegen haben, dass die anderen Seiten von Mooren umgeben waren, wo wenige Menschen und Tiere durchkamen, sagt Daniel Meendermann. Es kann aber auch mit der damaligen politischen Situation zusammenhängen. »Wir befinden uns hier in einer Grenzregion mit dem Deutschen Reich im Westen und den Slawen im Osten«, so der Archäologe. Der Holzwall sei schon vor den Häusern des Dorfes gebaut worden, was möglicherweise darauf zurückgeführt werden könne, dass der Ort zunächst ein Grenzposten zwischen den Gebieten war und danach erst das Dorf entstand.
Im Freilichtmuseum drehen einige Familien mit Kindern ihre Runden, besuchen die Hütten und probieren mittelalterliche Spielzeuge aus Holz aus, die auf dem Dorfplatz zur Verfügung stehen. »Ich mag so historische Rekonstruktionen sehr gerne. Ich war noch nie hier, obwohl ich seit 46 Jahren hier wohne«, sagt Bianca Arpaci zu »nd«. Gemeinsam mit ihrer Tochter Isabelle und einer befreundeten Familie erkundet sie das Dorf, Hütte um Hütte. »Es ist ganz toll hier. Die Häuser sind auch sehr cool und die Bienenstöcke und der Schafstall«, sagt Isabelle freudig. Es könnte noch etwas mehr mittelalterliches Leben im Dorf sein, findet Bianca Arpaci, aber schließlich seien sie auch ganz spontan hergekommen und hätten nicht vorher nach entsprechenden Veranstaltungen geschaut.
Neben den Bienen und den Schafen leben auch zwei Ochsen, Max und Moritz, im Museumsdorf. Früher wurden sie eingesetzt, um die Äcker des Dorfes zu bestellen, so Archäologe Meendermann. Deshalb seien diese auch so lang und schmal gewesen, sagt er und zeigt auf einen Streifen Erde am Rande des Dorfes. »So einen 800 Kilo schweren Ochsen bewegt man nicht so einfach dazu, sich umzudrehen und zurückzulaufen.«
Das Museumsdorf Düppel befindet sich in der Clauertstraße 11 in Nikolassee und hat saisonal von Frühjahr bis Herbst geöffnet, in den Schulferien täglich, außerhalb der Ferien samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Es gibt wechselnde Veranstaltungen.