nd-aktuell.de / 19.09.2023 / Politik / Seite 1

Neonazinetzwerk verboten

Bundesweit Razzien bei »Hammerskins Deutschland«

Jana Frielinghaus

Es ist das 20. Verbot einer rechtsradikalen Vereinigung in der Bundesrepublik, das Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag aussprach. Es gilt dem militanten Neonazi-Untergrundnetzwerk »Hammerskins Deutschland« und seinen regionalen Ablegern sowie der Teilorganisation »Crew 38«. Wie das Ministerium mitteilte, durchsuchten am Dienstag rund 700 Einsatzkräfte der Länder und der Bundespolizei Wohnungen von 28 mutmaßlichen Mitgliedern des Vereins in zehn Bundesländern. Die Razzien richteten sich laut Ministerium nur gegen mutmaßliche Führungsfiguren. Die Behörden schätzen die Zahl der Mitglieder der konspirativ agierenden Vereinigung bundesweit auf rund 130.

Das Netzwerk handle gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung, begründet das Ministerium seinen Schritt. Bei von ihm veranstalteten Konzerten würden auch Nichtmitglieder »mit rechtsextremistischem Gedankengut ideologisiert«. Aktive der Vereinigung seien in der Kampfsportszene aktiv. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen boten sie sich zudem als Security-Kräfte bei Neonazi-Events an.

Bei den Durchsuchungen wurden neben Bargeld und Nazidevotionalien beschlagnahmt, in Mecklenburg-Vorpommern auch Waffen. In dem Bundesland wurden drei Objekte durchsucht, unter anderem in dem von Neonazis dominierten Dorf Jamel.

Bei den Vorbereitungen für das Verbot haben Bund und Länder nach Angaben des Bundesministeriums über ein Jahr lang zusammengearbeitet. Auch mit US-Partnerbehörden sei kooperiert worden, so Faeser. Die Hammerskins sind ein Ableger der gleichnamigen Gruppe aus den USA und existieren in Deutschland bereits seit Anfang der 90er Jahre. Das Verbot sei »ein harter Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus«, sagte Faeser. Damit werde »ein klares Signal gegen Rassismus und Antisemitismus« gesetzt und das »menschenverachtende Treiben« der Vereinigung beendet. Der Rechtsextremismus sei nach wie vor »die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie«, gegen die die Bundesregierung weiter »mit aller Entschiedenheit« handle, betonte die Ministerin.

Das Verbot zeige, dass die Bundesregierung den Kampf gegen rechts mit Entschlossenheit angehe, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Die Innenpolitikerin fügte hinzu: »Wir müssen selbstverständlich noch tiefer gehen und jedem Versuch entschlossen entgegentreten, rechte Parallelgesellschaften zu etablieren.«

Der innenpolitische Sprecher der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Michael Noetzel, kritisierte, das Verbot sei »überfällig«. Schließlich sei das Netzwerk seit Jahrzehnten in Deutschland aktiv, erklärte er am Dienstag in Schwerin. Die Hammerskins verbreiteten seit ihrer Gründung »zutiefst antisemitische, rassistische und nationalsozialistische Propaganda«. Sie agierten im Verborgenen, und Behörden deckten ihre »Geheimniskrämerei«. Noetzel verwies auf ein vom Recherchekollektiv Exif 2021 veröffentlichtes Dossier zu allen lokalen Ablegern der Hammerskins, dem zufolge das Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern mit zwei »Chaptern« aktiv ist. Die Effizienz des Verbots müsse sich »am Umfang der Durchsuchungen und der Kontrolle von Nachfolgeaktivitäten messen lassen«, so Noetzel. mit Agenturen