nd-aktuell.de / 10.01.2024 / Berlin / Seite 1

Kein Tagestreff mehr für Obdachlose am Containerbahnhof

Seit Anfang des Jahres stehen die Schutzsuchenden in Friedrichshain tagsüber vor verschlossenen Türen

Merrin Chalethu

Nur acht Monate lang war der Tagestreff Anlaufpunkt für Obdachlose[1] in Friedrichshain. Wegen fehlender Finanzierung kann er ab Januar nicht mehr betrieben werden. Für viele Obdachlose bedeutet das ab nun wieder tägliches Frieren im Berliner Winter.

Erst im Mai letzten Jahres hatte der Tagestreff am Containerbahnhof unweit der Frankfurter Allee in Friedrichshain eröffnet. Bis Ende April 2023 hatte er zuvor sein Domizil im Hofbräuhaus am Alexanderplatz. Das Angebot des kirchlichen Trägers Gebewo pro in den Räumlichkeiten der Berliner Stadtmission war Anlaufstelle für täglich 300 Menschen und galt als wichtiges Ankerprojekt. In der Traglufthalle fanden Obdachlose tagsüber Schutz vor Hitze im Sommer und vor Kälte im Winter.

Das Projekt entstand während der Corona-Pandemie[2], als die Nachfrage stark anstieg. »Tagestreffs wurden während der Pandemie dringend benötigt, weil obdachlose Menschen keine Möglichkeit mehr hatten, sich im Winter beispielsweise in Geschäften oder Bibliotheken kurz aufzuwärmen«, erklärt Anna Lederle, Sprecherin der Muttergesellschaft Gebewo.

Das Angebot konnte von Montag bis Freitag jeweils von 10 bis 16 Uhr genutzt werden. In der Traglufthalle in Friedrichshain wurden Essen und Getränke sowie Duschen, Zugang zu Kleidung und medizinische Versorgung[3] zur Verfügung gestellt. Der Schutzraum wird weiterhin ganzjährig ab 19 Uhr als Notunterkunft genutzt.

Nach der Schließung des Tagestreffs verteilen sich die rund 300 obdachlosen Menschen – neben anderen Tagestreffs – wieder auf Bahnhöfe, Einkaufszentren und öffentliche Einrichtungen, so Lederle. Gute Alternativen seien diese Orte aber nicht, da die Wohnungslosen dort nicht zur Ruhe kommen können. Zudem böten sie den wohnungslosen Menschen nur die Möglichkeit sich aufzuwärmen. Beratung, Zugang zu medizinischer Versorgung oder Duschen gibt es dort nicht.

Lederle meint, dass es nie Aussichten auf die Fortführung des Projekts gegeben habe, weil die Finanzierung durch die EU nur als Reaktion auf die Pandemie erfolgt sei. »Die Laufzeit war ganz klar befristet.« Dennoch habe es Bestrebungen seitens der Gebewo pro gegeben, die Dienstleistungen tagsüber weiterhin aufrechtzuerhalten. Verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten wurden geprüft. »Im Austausch mit dem Land Berlin im vergangenen Herbst wurde jedoch signalisiert, dass das Projekt unter dem aktuellen Haushalt keine Finanzierungsmöglichkeiten[4] finden würde«, sagt Lederle.

Laut Webseite der Berliner Kältehilfe können Obdachlose alternativ zum Tagestreff am Containerbahnhof in Friedrichshain 27 andere Räumlichkeiten für den Tagesaufenthalt aufsuchen. »Es gibt zwar diverse Tagestreffs in Berlin. Aber Fakt ist, dass sie nicht ausreichen«, betont Lederle. Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung schätzt die Zahl der wohnungslosen, aber untergebrachten Menschen in der Stadt auf 25 975. Definitive Zahlen zu obdachlosen Menschen hingegen gibt es nicht.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178189.wohnungsnot-unterkunft-in-berlin-schliesst-zurueck-in-die-notuebernachtung.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1146010.corona-und-wohnungslosigkeit-obdachlose-zwischen-hilfe-und-not.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178270.gesundheitsversorgung-wohnungskrise-in-berlin-das-leben-auf-der-strasse-macht-krank.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178288.doppelhaushalt-berliner-haushalt-sparen-bis-es-quietscht-n-zweite-auflage.html