EU-Gericht hat kein Problem mit Zwangsverrentung

EuGH sieht in spanischer Regelung keine Diskriminierung wegen Alters

  • Holger Elias, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Entscheidung mit unabsehbaren Folgen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in dieser Woche gefällt. In einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen wollte ein spanisches Sozialgericht vom Gerichtshof wissen, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einer nationalen Vorschrift entgegensteht, welche die Aufnahme von Klauseln in Tarifverträgen über die Zwangsversetzung in den Ruhestand gestattet.

Diese Frage hatte sich im Rahmen einer privatrechtlichen Streitigkeit über die Entlassung eines Arbeitnehmers wegen Erreichung der im Tarifvertrag festgelegten Altersgrenze für die Zwangsversetzung in den Ruhestand gestellt. Der EuGH-Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass das in der Richtlinie 2000/78/EG formulierte Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einem nationalen Gesetz nicht entgegensteht, wenn dort tarifvertragliche Klauseln für gültig erklärt werden, die eine Zwangsversetzung in den Ruhestand gestatten. Die spanische Regelung verlangt als Voraussetzung lediglich, dass der Arbeitnehmer die – auf 65 Jahre festgesetzte – Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat und die übrigen sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer beitragsbezogenen Altersrente erfüllt.

Der EuGH bestätigte diese Rechtsauffassung am Dienstag inhaltlich. In der Begründung hieß es, dass das aus dem allgemeinen Kontext einer nationalen Regelung abgeleitete Ziel, über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Berufszugang zu fördern, grundsätzlich als eine »im Rahmen des nationalen Rechts objektive und angemessene« Rechtfertigung für eine von den Mitgliedstaaten angeordnete Ungleichbehandlung wegen des Alters angesehen werden könne.

Félix Palacios de la Villa war seit 1981 als Organisationsleiter bei der Firma Cortefiel Servicios SA beschäftigt. Im Jahr 2005 teilte ihm die Firmenleitung mit, dass sein Arbeitsvertrag aufgelöst sei, weil er das Alter für eine Zwangsversetzung in den Ruhestand erreicht habe. Zum Zeitpunkt der Mitteilung hatte de la Villa die erforderlichen Beschäftigungszeiten zurückgelegt, um eine einhundertprozentige Altersrente aus der Sozialversicherung beanspruchen zu können. De la Villa erhob dennoch Klage wegen Diskriminierung bei einem spanischen Gericht, das den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsersuchens hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie anrief.

Die europäische Richtlinie aus dem Jahr 2000 bezweckt die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung bestimmter Formen der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, zu denen auch die Diskriminierung wegen des Alters gehört. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung stellt grundsätzlich eine vom Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung dar. Im vorliegenden Fall begründet der Gerichtshof aber, dass die spanische Regelung auf Betreiben der Sozialpartner als Teil eines nationalen Programms verabschiedet wurde, mit dem über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Beschäftigungszugang gefördert werden sollte. Sie ziele, so der EuGH, darauf ab, den nationalen Arbeitsmarkt zu regulieren, um u. a. die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Die Rechtmäßigkeit eines solchen im Allgemeininteresse liegenden Ziels könne in Anbetracht der Richtlinie und des EU- sowie des EG-Vertrags nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Schließlich stelle die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus eines der Ziele dar, die sowohl von der Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt werden.

Darüber hinaus, meinte der EuGH, könne die Maßnahme auch nicht als übermäßige Beeinträchtigung der berechtigten Erwartungen der Arbeitnehmer angesehen werden, die wegen Erreichens der festgelegten Altersgrenze zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden sind. Es sei der Umstand berücksichtigt worden, dass den Betroffenen am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Form einer Altersrente zugute kommt, deren Höhe nicht als unangemessen betrachtet werden kann.

Auf eine Anfrage der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter (Grüne) hatte die Europäische Kommission kürzlich mitgeteilt, dass der Stand der Umsetzung der Richtlinie durch die EU-Mitgliedstaaten derzeit analysiert werde. Die Verordnung des Rates müsse in den EU-Staaten bis spätestens 21. Dezember 2007 vollständig umgesetzt worden sein, hieß es.

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