nd-aktuell.de / 31.01.2024 / Kommentare / Seite 1

Linke Konzepte für die Agrarwende

Carola Rackete über die Bauernproteste und Defizite in der Landwirtschaft

Carola Rackete
Bauernproteste: Linke Konzepte für die Agrarwende

Manche haben sich gewundert, warum ich die teils von rechts unterwanderten Bauernproteste unterstütze[1]. Die Antwort: Landwirtschaft ist unverzichtbar, und die verfehlte Politik der vergangenen 30 Jahre hat viele Bauern ruiniert.

Aktuell können die Bauern großteils nur schlecht von der Landwirtschaft leben, die meist migrantischen Saisonarbeiter*innen haben furchtbare Arbeitsbedingungen und miese Löhne, Bauersfrauen fast keine Rente, junge Leute können sich kein Land leisten. Dazu die Probleme im globalen Süden: Dumpingpreise, Pestizide, Landgrabbing. Die industrielle Landwirtschaft ist zudem mitverantwortlich für das Artensterben und die Klimakrise – etwa durch Pestizideinsatz, Tropenwaldrodungen für Futtermittelanbau und durch hohe Emissionen bei der Düngemittelproduktion.

Doch was ist in der Agrarpolitik eine linke Position?[2] Die Antwort: würdige Arbeitsbedingungen, faire Preise und ökologische Produktion. Und dafür müssen wir über Eigentum sprechen.

Fangen wir unten an, beim Boden. Wir sollten ihn als Gemeingut sehen genauso wie Wasser. Es braucht dafür ein Ende von Share-Deals und Investorenkäufen in der Landwirtschaft, welche die Bodenpreise anheizen. Das könnte in Agrarstrukturgesetzen durchgesetzt werden, genauso wie eine Pachtpreisbremse. Gleichzeitig braucht es ein Verbot von Flächenversiegelung, damit nicht noch mehr fruchtbares Land verloren geht. Und: Land kann gemeinwohlorientiert verpachtet werden, wie das bereits bei der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland und der Stadt Erfurt passiert.

Zum Thema: Die richtigen politischen Fronten – Die Bauern sind erfolgreich, weil sie den Protest gegen Subventionskürzungen als wahre Verteidigung des Gemeinwohls inszenieren[3]

Aktuell drücken wenige Lebensmittelkonzerne die Preise für die Bauern ins Bodenlose. Wir müssen diese Konzerne entmachten und andere Abnehmerstrukturen aufbauen. Es braucht stattdessen lokale Strukturen für Verarbeitung und Vertrieb. Ein Grundstein hierfür kann die Verpflegung in Kitas, Krankenhäusern oder Kantinen sein, die den Betrieben langfristige Sicherheit gibt.

Weil das derzeit nicht der Fall ist, beziehen Bäuer*innen einen großen Teil ihres Einkommens aus Subventionen: In der EU werden 30 Prozent des Geldes für Agrar-Subventionen ausgegeben, bisher fast nur nach dem Gießkannenprinzip, einfach pro Hektar. Es braucht stattdessen eine gezielte Förderung von sozialen und ökologischen Leistungen. In der EU blockiert aber der Bauernverband Hand in Hand mit den Großkonzernen jede sinnvolle Gesetzgebung zu diesen Themen.

Zum Thema: Reicher Bauer, armer Bauer – Die wirtschaftliche Lage im Agrarsektor ist extrem unterschiedlich[4]

Wir müssen außerdem drastisch runter mit den Tierzahlen. Daran führt ökologisch kein Weg vorbei. Diese Aufgabe muss staatlich organisiert umgesetzt werden. Das Resultat wäre, dass wir auf Ackerflächen Lebensmittel statt Tierfutter anbauen könnten, dass wir Weideland auf trockengelegten Mooren wieder vernässen könnten und damit Klimasenken schaffen würden.

Man kann davon ausgehen, dass Konservative und Rechte argumentieren, dass der längst überfällige Transformationsprozess in der Landwirtschaft die Lebensmittelpreise nach oben treiben wird. Das muss dann aber eine andere Diskussion auslösen: über den Mindestlohn, das absurd niedrige Bürgergeld und darüber, warum überhaupt die Schere von Arm und Reich so auseinandergeht. Und da sind wir schon wieder beim Eigentum.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179227.bauernprotest-bauernpraesident-rukwied-gegen-die-berliner-blase.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179211.landwirte-linke-bauernproteste-wir-zeigen-klare-kante-gegen-rechts.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179528.klimabewegung-klimaproteste-die-richtigen-politischen-fronten.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179354.landwirtschaft-reicher-bauer-armer-bauer.html