Das Pamphlet-Phantom aus der »interim«

Seit sechs Jahren versuchen Ermittler vergeblich, der militanten gruppe habhaft zu werden

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Phantom oder Gefahr für Menschen und Staat? Die militante gruppe (mg) führt seit 2001 die Ermittlungsbehörden in die Irre.

Seit sechs Jahren laufen die Ermittlungen gegen die mg, doch außer ellenlangen Pamphleten in der linken Szenezeitung »interim« und Aktionen, die meist darin bestanden, Autos anzuzünden, ist über die Gruppe fast nichts bekannt. Handelt es sich um einen festen Kreis oder um Einzelpersonen, die sich nach Bedarf das Etikett mg aufkleben? Zweifel kursieren jedenfalls auch im Bundeskriminalamt (BKA): Die militante gruppe existiere nur als Phantom in diversen Bekennerschreiben, hatte im Juli ein BKA-Beamter gegenüber der Presse verlauten lassen. Offiziell jedoch halten die Ermittlungsbehörden unbeirrt an ihrer Theorie fest, es handele sich um eine terroristische Vereinigung. Ob der Bundesgerichtshof das im aktuellen Fall auch so sieht, wird er voraussichtlich im Lauf des Oktober entscheiden, schätzt Rechtsanwalt Stephan Schrage.

Erstmalig trat die militante gruppe 2001 in Erscheinung: Im Juni erhielten Otto Graf Lambsdorf, seinerzeit Regierungsbeauftragter für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, sowie zwei Repräsentanten der Stiftungsinitiative per Post jeweils eine scharfe Patrone als »Diskussionsanregung«, wie es im mg-Bekennerschreiben heißt – Protest gegen die »geschichtliche Entsorgungspolitik«, die die Stiftung betreibe. Kurz danach brannte ein Fahrzeug der Daimler-Niederlassung in Berlin-Marienfelde: ebenfalls wegen der Regelungen zur Zwangsarbeiterentschädigung.

Aktuelle Themen wie Sozialabbau oder Abschiebepolitik liegen im Fokus der mg. Brandsatz-Aktionen richteten sich gegen Berliner Finanzämter, Bundeswehrfahrzeuge, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, eine Berliner Sanierungsgesellschaft, den Fuhrpark des Berliner Ordnungsamtes und Polizei-Einsatzfahrzeuge. Laut BKA bekannte sich die mg zu zehn Anschlägen in Berlin und Brandenburg. Insgesamt sollen fast 30 Anschläge auf ihr Konto gehen. Menschen kamen nie zu Schaden.

2003 schien dem BKA endlich ein Fahndungserfolg gelungen: Vier Männer seien enttarnt, die zum harten Kern der mg gehören sollen, meldete der Fokus, und veröffentlichte deren Initialen – so wurde bekannt, dass gegen die vier ermittelt wurde. Bei Razzien im Vorfeld der G8-Proteste in Berlin gab es bei drei der vier Beschuldigten Hausdurchsuchungen. Verhaftet wurde niemand.

Mit großem Interesse verfolgt vor allem das BKA die »Militanzdebatte«, die seit 2001 in der »interim« geführt wird. Sie belege, wie »extrem gewalttätig und gefährlich die Gruppe sei«, hatte ein Verfassungsschützer in der taz erklärt. Allerdings belegt sie auch die unklare Personalsituation bei der mg. Der größte Teil der Textbeiträge stamme »unter wechselnder Namensbezeichnung von demselben Personenkreis«, stellt selbst das BKA fest und schlussfolgert: »Hinter dieser fingierten Diskussion dürfte die Absicht stehen, eine größere Resonanz vorzutäuschen.«

Eingängige Lektüre sind die mg-Beiträge jedenfalls nicht. So heißt es in der »interim«-Ausgabe vom März 2003: »Mit unseren bisherigen klandestinen Aktionen haben wir die herrschenden sozialtechnokratischen und imperialistischen Stoßrichtungen thematisiert und im Rahmen unserer Möglichkeiten militant angegriffen.«

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