Die Schwestern von Bretton Woods kränkeln

Globale Finanzkrise und interne Strukturprobleme beschäftigen IWF und Weltbank auf Jahrestagung

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.
Neue Gesichter an der Spitze der beiden Bretton-Woods-Institutionen sowie alte und neue Probleme stehen im Mittelpunkt der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank am kommenden Wochenende in Washington.

Noch ist er gar nicht im Amt, doch die Schlagzeilen bestimmt er schon vorab: Dominique Strauss-Kahn, selbsternannter »freier Marktwirtschaftssozialist«, tritt am 1. November die Nachfolge des Spaniers Rodrigo de Rato als Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds an. So dubios seine Selbstetikettierung klingt, so zweifellos steckt der IWF in einer tiefen Krise. Vier seiner fünf größten Schuldner (Brasilien, Argentinien, Philippinen und Indonesien) haben ihre Schulden vorzeitig abgelöst und damit dem Fonds, der sich mit Strukturanpassungsprogrammen einen Namen gemacht hat, selbst ein Strukturproblem beschert: Seit einiger Zeit muss der IWF seine laufenden Kosten aus den eigenen Reserven finanzieren. Das ist eine der vielen Baustellen, die Rodrigo de Rato Strauss-Kahn hinterlässt. Eine andere ist die seit Jahren von den Schwellenländern angemahnte Stimmrechtsreform, mit der den veränderten weltwirtschaftlichen Gewichten Rechnung getragen werden soll.

Bis auf eine außerordentliche Quotenzuteilung für China, Südkorea, Mexiko und den letzten verbliebenen Großschuldner, die Türkei, ist noch nichts geschehen. Und das wird sich auf der Herbsttagung kaum ändern. Erst vor wenigen Tagen verkündete der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Thomas Mirow, dass in der Quotenfrage bei der Herbsttagung keine abschließenden Ergebnisse zu erwarten seien. Allerdings solle bis zum Frühjahr eine Lösung gefunden werden. Es geht dabei darum, die für den Einfluss eines Landes beim Fonds maßgebliche IWF-Quote neu zu berechnen und Kapital- sowie Stimmanteile dem tatsächlichen Gewicht eines Landes anzupassen.

Die Quotenzuteilung ist nicht der einzig mögliche Weg, den IWF zu demokratisieren. Überraschend hat sich Strauss-Kahn für einen Vorschlag stark gemacht, den Nichtregierungsorganisationen (NRO) schon seit Jahren in die Diskussion gebracht haben: das System der doppelten Mehrheit, wonach bei wichtigen Entscheidungen sowohl Mehrheiten unter den Gläubiger- als auch unter den Schuldnerländern vorliegen müssten. Doch Strauss-Kahn kann vorschlagen, was er will – gegen ein Veto der USA allein oder auch der EU-Staaten, sofern sie sich gemeinsam querstellen, ist er machtlos.

Den Wechsel an der Spitze, der beim IWF unmittelbar bevorsteht, hat die 1944 gleichzeitig in Bretton Woods gegründete Schwester Weltbank schon hinter sich. Vor drei Monaten trat der US-Amerikaner Robert Zoellick die Nachfolge von Paul Wolfowitz an, der – angetreten war, um der Korruption den Garaus zu machen – über die Begünstigung seiner Geliebten stolperte.

So wie der IWF hat auch die Weltbank mit strukturellen Problemen zu kämpfen: Die Kunden werden knapp. Der jüngste Warnschuss ereilte die Weltbank erst vor wenigen Tagen: Sieben südamerikanische Staaten beschlossen in Rio de Janeiro die Gründung einer eigenen Entwicklungsbank mit Namen Banco del Sur (Bank des Südens). Auch China, Indien und Südkorea treten mehr und mehr als Kreditgeber für Entwicklungsländer auf und machen so der Weltbank Konkurrenz.

Entsprechend will Zoellick seine Strategie ausrichten: Hilfen für Afrika, größere Einbindung der Schwellenländer, Klimawandel und Gesundheit, die Vermarktung des Expertenwissens der Weltbank in Entwicklungsfragen sieht er als Kernpunkte. Neben solchen internen Themen wird vor allem die globale Finanzkrise infolge der Immobilienmarktkrise in den USA eine wichtige Rolle spielen. Strauss-Kahn redet gerne von der Finanzstabilität als einem »öffentlichen Gut«, das der IWF gewährleisten müsse, und plädiert für stärkere Regulierung. Die ersten, die sich heute damit auseinander setzen werden, sind traditionell die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Staaten USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien. Vor der Herbsttagung geht es zudem um Staatsfonds aus den Golfstaaten oder Boomstaaten wie China. Ganz oben auf der Tagesordnung steht auch der Preisverfall des Dollar und die unterbewertete chinesische Währung Yuan.

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