nd-aktuell.de / 19.10.2007 / Politik / Seite 5

»In Energiefragen zukunftsorientiert denken«

Wolfgang Schluchter über Braunkohleabbau und Energiealternativen in der Lausitz

ND: Vattenfall will weitere 700 Millionen Tonnen Braunkohle in der Lausitz abbauen. Wie beurteilen Sie die Umweltverträglichkeit?
Sie ist minimal, selbst wenn die angewandte Technologie hoch entwickelt ist. Aus den Kraftwerken wird weiterhin viel CO2 ausgestoßen. Das Abtrennen von CO2 aus den Abgasen ist bisher wenig erforscht, deren Verflüssigen und Ableiten in den Boden nicht vollständig geklärt. Es handelt sich erst einmal um einen Technikumversuch, der das Stadium eines großtechnischen Einsatzes bei weitem noch nicht erreicht hat.

Gibt es für diese Region Alternativen in der Energiewirtschaft?
Ja. Die BTU Cottbus beabsichtigt, verschiedene alternative Energieerzeugungsarten zu kombinieren. Wind, Sonne, Biomasse und Biogas gilt es effektiv und nachhaltig zu verbinden. Ebenso ist von Bedeutung, dass die ansässige Bevölkerung in die Energiewirtschaft mit einbezogen wird. In einer Energieregion wie der Lausitz geht es um den Umgang mit Energie, um Energieeinsparung, um rationelle Energieverwendung und nicht um Energieverschwendung. Das muss auch der Bürger zum Ausdruck bringen können. Ich bin sicher, dass ein solches Projekt auf viel Zustimmung stoßen wird.

Am Standort Jänschwalde soll laut Vattenfall durch neuartige Technologie ökologisch nachhaltig Elektrizität erzeugt werden. Wie ist diese Technik zu beurteilen?
Das ist die Technologie der Sequestrierung von CO2, wobei das CO2 weitgehend aus den Verbrennungsprozessen extrahiert wird. Dieser Prozess ist noch in der Entwicklung und man weiß nicht, ob sie in naher Zukunft für Großkraftwerke verfügbar ist. Eine vollständige Herausnahme von CO2 ist erstens nicht möglich und zweitens sinkt der Wirkungsgrad eines Kraftwerks durch diesen Prozess um etwa 15 Prozent. Zum Ausgleich muss natürlich mehr Kohle verfeuert werden. Ebenso ist unklar, wohin das flüssige CO2 gebracht werden soll. Wahrscheinlich ist die Deponie im Boden oder das Ableiten ins Meer. Beide Male sind die Folgen für Fauna und Flora nicht kalkulierbar.

Macht eine Förderung ab 2035 bei einem endlichen, wenig zukunftsorientierten Energieträger wie diesem überhaupt Sinn?
Nein. Mir ist klar, dass wir die Braunkohlekraftwerke nicht sofort abstellen können. Wir müssen in Energiefragen zukunftsorientiert denken. Alle Beteiligten sollten vorerst zu einer Übergangslösung kommen. Investitionen in wenig nachhaltige Erzeugungsmöglichkeiten für das Jahr 2035 gilt es dabei auszuschließen. Diese müssen in in der alternativen Energieerzeugung mit erneuerbaren Energieträgern getätigt werden.

Vattenfall begründet den Abbau mit dem Entstehen neuer Arbeitsplätze.
Dieses Argument ist für mich nicht zulässig. Technologieerneuerung dient unter anderem dazu, die Energieproduktivität zu erhöhen. Produktivitätssteigerungen ziehen in der Regel einen Arbeitsplatzabbau nach sich. Weniger menschliche Arbeitskraft wird benötigt. Das Gegenteil von dem, was ursprünglich gesagt wurde, um Akzeptanz zu bekommen, wird dann erreicht.

Fragen: Christian Klemm