nd-aktuell.de / 19.10.2007 / Politik / Seite 4

Blockade ohne Beispiel

LINKE: Klage für Aufklärung zu Sachsen-»Sumpf« unausweichlich

Hendrik Lasch, Dresden
Sachsens Regierung verletzt mit ihrer Blockade der »Sumpf«-Aufklärung alle parlamentarischen Spielregeln, sagt Linksfraktionschef André Hahn, der eine Klage für unausweichlich hält.

Gesetzt den Fall, es wäre alles nur »heiße Luft«. Gesetzt den Fall, die 15 600 Blatt Akten, die der sächsische Verfassungsschutz zur Organisierten Kriminalität und zu Korruption in Polizei, Justiz und Politik angehäuft hat, versammelten nur haltlose Behauptungen und aufgeblasene Gerüchte: »Dann soll man sie dem Untersuchungsausschuss übergeben«, sagt André Hahn, »und in wenigen Wochen hätte dieser seine Arbeit beendet.«

Derzeit sieht es in Dresden nicht nach einem schnellen Beginn, geschweige denn einem zügigen Ende der Ausschussarbeit aus, wie Hahn, Vorsitzender der Linksfraktion im Landtag, weiß. Im Gegenteil: Das Gremium »steckt vorerst in der Sackgasse«. Zwar verfügt es über eine schmale Arbeitsgrundlage, seit die LINKE vergangene Woche 30 ihr zugespielte Ordner mit Unterlagen übergab. Doch von Zeugenvernehmungen ist das Gremium weit entfernt.

Hahn macht dafür eine Blockadehaltung der CDU-geführten Regierung verantwortlich, die in der Bundesrepublik beispiellos sei: Es würden »alle parlamentarischen und verfassungsrechtlichen Spielregeln verletzt« und Kontrollrechte des Landtags »mit allen denkbaren und undenkbaren Mitteln ausgehebelt«, sagte er im ND-Gespräch.

Die Liste der Beispiele ist lang: Einerseits wird der Ausschuss mit aller Macht gebremst, indem der Einsetzungsbeschluss als verfassungswidrig bezeichnet, Aussagegenehmigungen und Akten verweigert und langwierige Sicherheitsüberprüfungen verordnet werden. Zugleich wird das Aktenkonvolut als substanzlos dargestellt, eine Strategie, der man die Mitarbeiter des erst auf Drängen der CDU eingerichteten OK-Referats beim Verfassungsschutz opfert: »So etwas gab es noch nie.«

Zeitspiel der Regierung
Eine konziliantere Haltung der Opposition hätte an dieser Blockade nichts geändert, glaubt Hahn, der deshalb auch keinen Anlass für die Einsetzung eines neuen Ausschusses auf veränderter Geschäftsgrundlage sieht: Es gebe »keinen Anlass anzunehmen«, dass die Regierung ihr Zeitspiel dann beende. Diese wolle »keine Untersuchung und vor allem keinen Abschlussbericht«, sagt Hahn und erinnert daran, dass dieses Dokument nicht nur ein Minderheitenvotum der Opposition enthalten könne, sondern auch relevante Unterlagen: »Dann könnte sich die Öffentlichkeit ihr eigenes Bild machen.« Dies solle »mit aller Macht verhindert« werden.

Angesichts der festgefahrenen Positionen muss nun das Verfassungsgericht darüber urteilen, ob der Ausschuss seine Arbeit aufnehmen darf. Alternativen gibt es nicht mehr: »Unsere parlamentarischen Mittel sind weitgehend erschöpft«, sagt Hahn, der die Erfolgsaussichten der Opposition indes für gut hält. Vergangene Woche beurteilte der vom Ausschuss als Rechtsbeistand engagierte Jurist Martin Morlok den Einsetzungsbeschluss als durchaus verfassungsgemäß.

Ein Dilemma bleibt
Auch bei einem juristischen Sieg bleibt freilich ein Dilemma: Der Ausschuss hat für die politische Aufarbeitung nur bis Ende der Wahlperiode im Sommer 2009 Zeit. Derweil stagniert auch die Prüfung der Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft: Es gebe Hinweise, wonach zentrale Zeugen noch gar nicht befragt worden seien, sagt Hahn, der als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Geheimdienst die »Sumpf«-Akten kennt und überzeugt ist, dass diese substanzielle Verdachtsmomente enthalten, aufgrund von Geheimhaltungspflichten aber nicht darüber reden darf.

Noch einmal gesetzt allerdings den Fall, die Akten enthielten wirklich nur heiße Luft: Dann bliebe der Skandal, dass ein Landesamt für Verfassungsschutz meterweise Lügengeschichten ansammelt. »In anderen Ländern«, sagt Hahn, »wäre das für politische Konsequenzen mehr als ausreichend.« In Sachsen offenbar nicht.