nd-aktuell.de / 19.10.2007 / Brandenburg / Seite 16

Der kurze Traum von Reformen im Sozialismus

Ausstellung über die Umbruchsituation in Berlin 1989 im Haus der Demokratie

Jan Schapira

Als die Bürger der DDR begannen, für demokratische Reformen zu demonstrieren, war der Anschluss an den kapitalistischen Westen noch kein ausgemachtes Ziel. Die gerade im Haus der Demokratie eröffnete Ausstellung »Der kurze Herbst der Utopie – Berlin 1989« handelt von der turbulenten Wendezeit, in der vieles noch möglich schien.

Im Sommer 1989 gingen Gruppierungen wie das Neue Forum, der Demokratische Aufbruch, Initiative Vereinigte Linke oder die Sozialdemokratische Partei in die Öffentlichkeit und forderten freie Wahlen. Die politische Situation dazu war günstig wie nie zuvor. Die Ausreisebewegung hatte deutlich gemacht, dass die Macht der SED bröckelte.

Im Mittelpunkt der Ausstellung der Stiftung Haus der Demokratie stehen die Vorstellungen, Wünsche und Konzepte der oppositionellen Gruppen, die sich für die Demokratisierung des Realsozialismus einsetzten. Nachgegangen wird der im Zuge des West-Anschlusses verlorengegangenen Visionen von einer demokratischen DDR.

Dabei handelte es sich keineswegs um eine randständige Position. Noch am 19. 12. 1989 versammelten sich anlässlich des Dresden-Besuchs des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl auf dem Alexanderplatz 10 000 Menschen unter dem Motto »Für den Erhalt der Souveränität der DDR. Gegen Ausverkauf und Wiedervereinigung«.

Es ist gerade die Darstellung der letztlich unerfüllten Hoffnungen und Möglichkeiten dieser Umbruchsituation, die diese Exposition wertvoll macht. Sie wurde vornehmlich von Aktivisten der Wendezeit selbst erstellt. Dies schlägt sich oft im Ton der Texte nieder, die aus linker engagierter Sicht, aber niemals unsachlich auf die historischen Ereignisse eingehen. Chronologisch aufgebaut, zeichnet die Ausstellung die Geschichte der Oppositionsbewegung und den Wandel ihrer Positionen nach bis zum Anschluss an den Westen.

Trotz des durchdachten Ausstellungskonzepts sind die unklare Hängung der Folien und die erschlagende Textmasse zu bemängeln. Vorkenntnisse sind beim Besuch der Ausstellung ebenfalls hilfreich. So wird vor allem jüngeren Besuchern ein überblicksartiger Einleitungstext über das Zeitgeschehen fehlen. Das ist besonders deswegen schade, da nach Aussage von Heidemarie Kruschwitz vom Vorstand des Hauses der Demokratie und Menschenrechte gerade Schüler in Kontakt mit dem Ausstellungsthema gebracht werden sollen. So besteht für Schulklassen nach Absprache auch die Möglichkeit zu Gesprächen mit Zeitzeugen.

»Der kurze Sommer der Utopie – Berlin 1989«, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, Prenzlauer Berg, bis 17. November, Eintritt frei