nd-aktuell.de / 28.02.2024 / Berlin / Seite 1

Wegner bei der IHK: Zweifel an Artenschutz und 29-Euro-Ticket

Kai Wegner schmeichelt der IHK – und stellt Artenschutz und 29-Euro-Ticket infrage

Marten Brehmer

Heimspiel für Kai Wegner (CDU): Mit der Industrie- und Handelskammer, bei der der Regierende Bürgermeister am Mittwoch auftrat, teilt er viele politische Forderungen[1]. Entsprechend entspannt verlief für Wegner die morgendliche Diskussionsrunde. Von der Moderation musste er nur rhetorische Wattebäuschchen statt kritischer Fragen erwarten.

Im Kreise Gleichgesinnter leistete sich der Christdemokrat einige Sticheleien gegen andere Parteien, die man von dem sonst um Ausgleich bemühten Politiker nicht gewohnt ist. »Ich freue mich, wenn Sie Geld verdienen«, sagte Wegner in Richtung der versammelten Unternehmer und schob einen Seitenhieb gegen den Vorgängersenat nach: »Das war in Berlin ja nicht immer so.«

Auch der Koalitionspartner SPD bekam sein Fett weg: »Wir brauchen mehr Public-Private-Partnership-Programme«, sagte Wegner. Dabei geht es um Projekte, die staatliche Behörden und private Unternehmen gemeinsam stemmen[2]. »Beim Koalitionspartner nennt man das lieber ›kreative Finanzierungswege‹, aber mir ist egal, wie man das Kind am Ende nennt«, fügte Wegner spitzbübisch hinzu. Als Beispiele für Felder, in denen private und staatliche Akteure zusammenarbeiten könnten, nannte er Schulneubau, Infrastruktur und Schwimmbäder. »Aus dem Landeshaushalt alleine können wir das nicht stemmen«, so Wegner.

Der Landeshaushalt ist bekanntermaßen ohnehin angeschlagen. In allen Ressorts sollen Pauschale Minderausgaben in Höhe von 5,6 Prozent des Budgets eingespart werden, insgesamt geht es um etwa 1,75 Milliarden Euro. Wegner verteidigte dieses Vorgehen nach der Rasenmäher-Methode: »Erst mal muss jeder seine Hausaufgaben machen, dann setzen wir Schwerpunkte«, sagte er. Kürzungspotenzial gebe es in allen Senatsressorts. Wegner betonte allerdings erneut, keine Kürzungen bei Bildung und Zukunftsinvestitionen vornehmen zu wollen. Zudem will der Regierende an die Schuldenbremse ran: »Da geht es dann aber nicht darum, noch mehr Mittel für Bürgergeld und andere konsumptive Ausgaben bereitzustellen, sondern Investitionen in die Zukunft sicherzustellen«, so Wegner.

Ungewohnt offen sprach der Regierende auch über seine Ziele in der Wohnungspolitik. Mit dem Schneller-Bauen-Gesetz, das der Senat im Verlauf des Jahres verabschieden will, sollen nach Wegners Willen Vorgaben beim Artenschutz fallen. »Es kann nicht sein, dass Zauneidechsen die Stadtentwicklung stoppen«, sagte er. Auch beim Denkmalschutz sollen die Vorgaben gelockert werden: »Es ist wichtig, dass die Stadt schön aussieht, aber Denkmalschutz darf nicht zur Verhinderungsbehörde werden.«

Wohnungsbau müsse in allen Preissegmenten stattfinden. »Wir müssen auch an die denken, die zu viel verdienen, um einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen«, so Wegner. Das sei zentral für die Fachkräftegewinnung: »Es ist nicht schwer, in Berlin einen Job zu finden. Aber eine Wohnung zu finden, ist quasi unmöglich.«

Auch an anderer Stelle will Wegner weniger auf Sozialpolitik setzen: Das 29-Euro-Ticket stehe auf seiner Prioritätenliste »nicht an erster Stelle«, sagte er. Er unterstütze das Berlin-Ticket zwar, Priorität müssten aber Sicherheit und Sauberkeit im öffentlichen Nahverkehr haben.

Als größte Aufgabe für seinen Senat sieht Wegner die Verwaltungsreform. »Wenn wir diesen Bremsklotz lösen, dann wird das eine große Dynamik von Wachstum auslösen«, sagte er. Er wolle dabei nicht nur Einigkeit mit dem Koalitionspartner, sondern auch mit der Opposition herstellen. Ein erstes Verständigungstreffen mit den Fraktionsspitzen von Grünen und Linke hatte Mitte des Monats stattgefunden. »Wir brauchen auch die Opposition, damit wir die Landesverfassung ändern können«, so Wegner. »Dann kann eine nachfolgende Landesregierung das nicht mit einfacher Mehrheit ändern.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173842.arbeitsmarkt-berlin-wer-nicht-ausbildet-wird-umgelegt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/837371.ausser-spesen-nichts-gewesen.html