Was vom Tage übrig bleibt

WDR-Dokumentarreihe »Hauptsache Arbeit« zum Wandel des Berufslebens

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) macht in seiner Reihe »Menschen hautnah« jetzt Veränderungen der modernen Arbeitswelt zum Thema.

Montagmorgen, fünf Uhr: Es ist noch dunkel, ein Mann steht auf dem verwaisten Bürgersteig wie bestellt und nicht abgeholt. Dann biegt ein roter VW-Kleinbus um die Ecke und sammelt Wolfgang ein. Wenige Ecken weiter auch Steffen, Reinhold und andere. Gleich fahren die Männer zur Arbeit. Ihr Weg führt sie durch ein paar kleine Orte und viele Stunden über die Autobahn. Die Männer kommen aus dem Eichsfeld, Thüringen, und fahren nach Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen. In ihrer Heimat gibt es für sie keinen Job, im Rheinland schon. Für fünf Tage richten sie sich in einem dunklen und engen Wohncontainer ein, dort schlafen, kochen und essen sie. Dort trinken sie nach Feierabend gemeinsam ein Bier und träumen von Zuhause, von der Frau, den Kindern, den Freunden.

Die Berliner Filmemacherinnen Wilma Pradetto und Susanne Kam-mermeier haben Wolfgang, Steffen und Reinhold mit der Kamera begleitet, sogar bis in die Badewanne verfolgt, um sichtbar zu machen, wie sich ein Dasein auf Montage anfühlt, ein Leben zwischen »Handwerk und Heimweh«. So heißt der dritte Teil des WDR-Dokumentarvierteilers »Hauptsache Arbeit«.

Globalisierung und die Verknappung aller Ressourcen haben das Arbeitsleben verändert. So stark, dass Arbeit weit ins Private hinein- reicht und Biografien vollständig verändert. Der geradlinige Berufs-lebenslauf von Ausbildung, Anstellung in einem oder wenigen Betrieben bis hin zur Rente ist längst zur Museumsreliquie mutiert. Normal geworden sind unsichere Jobs, geringe Bezahlungen, Pendlertouren, Freiberuflichkeit, sogenannte feste freie Tätigkeiten, fast immer gestreift durch reale Arbeitslosigkeit und die Furcht vor ihr.

Montage, wie sie die drei Maurer leben, gab es früher schon. Doch noch vor wenigen Jahren haftete an ihr die sichere Aussicht, nach einigen Wochen wieder am Heimatort arbeiten zu können. Inzwischen heißt Montage oft Existenzsicherung. Denn Arbeit für Wolfgang, Steffen und Reinhold ist im Eichsfeld so rar wie ein Eichenwald in der Wüste. Die Drei arbeiten hart und doch reicht es kaum. Wolfgang hat vier Kinder. Die haben keine großen Ansprüche, sollen aber nicht zurückstecken. Das Schwein, das der Vater mit der Familie am Wochenende schlachtet, gibt nicht nur ein besonderes gemeinsames Erlebnis ab, sondern vor allem auch Fleisch und Wurst. In Düsseldorf rechnet Wolfgang jedes Bier nach, das er im Container trinkt.

Reinhold wird jeden Freitag von seiner Frau mit einer Torte empfangen. Mehr ist ihr kaum geblieben vom Ehealltag, der jetzt alle Probleme ausspart. Es soll doch schön sein – in den wenigen Stunden zu Hause. Und Sonntagabend schweifen die Gedanken der Drei schon wieder zum Kleinbus, der sie in ihr Parallelleben führt.

Der WDR hat sich aufgemacht, verschiedene Existenzformen aufzuspüren, an die sich privat und im Beruf alle gewöhnen müssen. Dem Kölner Sender ist eine herausragende Abbildung der modernen Arbeitswelt gelungen, darunter ein Porträt eines Managers, der seiner Karriere wegen auf vieles verzichtet, sowie die Härte eines Daseins von Menschen mit mehreren Jobs.

Bemerkenswert, dass der WDR den vermeintlichen Nichtstuern ei-nen eigenen Teil widmet, jenen, die vom Sozialtransfer leben. Bekannt sind Geschichten von Hartz-IV-Empfängern, die es kaum ertragen, auf dem »Abstellgleis« gelandet zu sein. Es gibt aber offenbar auch welche, die froh sind, der Tretmühle Erwerbsarbeit entronnen zu sein. Und das sind, wie der Film von Konstantin Faigle zeigt, keine Schmarotzer und schlecht Ausgebildete. Vielmehr übernehmen sie unbezahlt Tätigkeiten, die andere ablehnen. Bislang ist der Berliner Soziologe Wolfgang Engler einer der Wenigen, die dafür plädieren, Erwerbslose zu gemeinnützigen Tätigkeiten einzuladen. Die konsequente Folge wäre das bedingungslose Grundeinkommen. Aber das ist aus der politischen Debatte wieder verschwunden.

WDR-Reihe »Hauptsache Arbeit«, 24.10., 22.30 Uhr: »Handwerk und Heimweh«, 31.10., 22.30 Uhr: »Glückliche Nichtstuer«; Infos: www.wdr.de/tv/menschen-hautnah

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