Ende des »Kaczismus« in Polen

Partei des bisherigen Regierungschefs unterlag deutlich der Bürgerplattform von Donald Tusk

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den Parlamentswahlen in Polen am Sonntag gab es im Grunde keine übermäßige Sensation: Eine Rechtspartei hat gewonnen, die andere verloren. Sieger ist diesmal die Bürgerplattform (P0) von Donald Tusk.

Die Beteiligung war die höchste aller bisherigen Parlamentswahlen der »Transformationszeit« seit 1990. Sie betrug 53,8 Prozent und lag damit im Vergleich zu den letzten Sejm- und Senatswahlen 2005 um mehr als 15 Prozentpunkte höher. Zum ersten Mal gingen junge Menschen an die Urnen, die nach dem »Sturz der Kommune« auf die Welt kamen. Dies trug mit dabei zu, dass der »Kaczismus« auf der Strecke blieb. Wie erwartet war die Wahlbeteiligung in den Großstädten hoch. In Warschau, Krakow, Poznan, Gdansk und Wroclaw lag sie um und über 60 Prozent, was dem PO-Herausforderer zum Vorteil war. In ländlichen Gebieten hingegen, vom Karpatenvorgebirge bis hinauf zu Podlasie im Norden, den Hochburgen der bisher regierenden Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), aber auch in Niederschlesien, fiel sie deutlich niedriger aus.

Nach der Auszählung von 99 Prozent der Stimmen errang die PO 41,4 Prozent, was der Tusk-Partei 209 Sejm-Sitze sichert. Ihr rechter Widersacher, die PiS, kam auf 32,2 Prozent und 166 Mandate. Drittstärkste Kraft ist die Mitte-Links-Formation »Linke und Demokraten« (LiD) mit rund 13,2 Prozent und 53 Mandaten. 31 Sitze und 8,9 Prozent erhielt die Bauernpartei PSL. Die »Samoobrona« (S0) des Andrzej Lepper und die Liga Polnischer Familien (LPR), die mit der PiS die Regierungskoalition gebildet hatten, sind mit 1,5 beziehungsweise 1,3 Prozent weg vom Fenster. Etwa ein Prozent entfiel auf die einzige tatsächlich linke Gruppierung, die Polnische Partei der Arbeit (PPP).

Zu den diversen Merkwürdigkeiten dieses Urnengangs gehört, dass der ehemalige Partei- und Regierungschef der »linken« Regierung 2001-2005, Leszek Miller, der von dem Bündnis LiD nicht aufgestellt worden war und sein Glück mit der Lepper-Partei versucht hatte, in Lodz nur ein Prozent der Stimmen erhielt. In Warschau kam der LiD-Kandidat Marek Borowski, der 2005 das Linksbündnis SLD spaltete und die »Sozialdemokratie PL« gründete, auf sechs Prozent. Zu dem eher bescheidenen Wahlergebnis von LiD hat nicht unerheblich das nicht eben glückliche Auftreten des Expräsidenten Aleksander Kwasniewski beigetragen, der sich nun entschloss, endgültig der Politik den Rücken zu kehren..

Der geschlagene Regierungschef Jaroslaw Kaczynski sagte bereits am Wahlabend dem Sieger eine »harte Opposition« an. Nun wird es darauf ankommen, was die PO aus ihrem Sieg zu machen gedenkt. Allen Menschen soll es in Polen besser gehen, versprach sie im Wahlkampf. Das will sie durch eine gleiche Einkommensteuer von 15 Prozent erreichen. Wie Donald Tusk am Wahlabend versprach, soll »Liebe in Polen herrschen«. Der durch die PiS praktizierte Hass und die permanenten Verdächtigungen aller Eliten müssten der Vergangenheit angehören.

Der am gestrigen Nachmittag tagende PO-Vorstand bereitet für den 10. November eine Landeskonferenz vor, auf der die Partei sich zur Koalitionsfrage aussprechen will. Spekulationen zufolge wird ein Angebot an die PSL-Bauernpartei ergehen. In diesem Fall würde es nach positiv abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen eine Regierungsmehrheit von 240 Mandaten im 460-köpfigen Sejm geben. Im Senat verfügt die PO über 60 Mandate, 39 hat die PiS, und einen Platz errang der als unabhängiger Kandidat angetretene ehemalige Premier und Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz.

Auf den ersten Blick wird Donald Tusk sich als künftiger Regierungschef in beiden Kammern auf eine komfortable Mehrheit stützen können, was für die nächsten vier Jahre Stabilität verspricht. Eine offene Frage ist allerdings die Kohabitation zwischen Präsident Lech Kaczynski und dem neuen Premier. Denn dem Staatsoberhaupt steht das Recht zu, die verabschiedeten Gesetze zu unterschreiben oder aber zu blockieren .

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