Deutsche Polizeifesseln nach Kabul

Menschenrechtssituation in Afghanistan scheint nicht beachtenswert

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Wochenende kehrte eine Delegation des Bundestags-Haushaltsausschusses aus Afghanistan zurück. Außer Bundeswehrcamps haben ihre Mitglieder nichts vom Land gesehen. Die Sicherheitslage lässt nicht einmal im angeblich ruhigen Norden des Landes Exkursionen zu.

Das A und O für eine friedliche Entwicklung Afghanistans sei, so heißt es, der Aufbau effektiver einheimischer Sicherheitsstrukturen. Doch das gelingt offenbar nicht. Sogar Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) nennt den Umfang der Polizeiausbildung durch die EU unzureichend. Und die Vizefraktionschefin der FDP-Bundestagsfraktion Birgit Homburger meint, der Polizeiaufbau sei »ein einziges Fiasko«.

Bis zum Mai hatte Deutschland den Hut auf bei der Ausbildung afghanischer Polizisten, dann übernahm die EU den Job. Parallel dazu bilden US-Sicherheitsfirmen Tausende von Hilfspolizisten aus und die Kabuler Marionettenregierung ernennt nach politischer Opportunität Angehörige von Warlord-Banden zu Milizionären. Fahnenflucht – man spricht von rund 40 Prozent der ausgebildeten und ernannten Mannschaftsdienstgrade – und Ungehorsam sind so an der Tagesordnung. Ebenso groß ist das Problem der Korruption.

So ist es durchaus verständlich, dass sich die Bundesregierung nicht nur weigert, auf Halde liegende »Leopard«-Panzer und »Marder«-Schützenpanzer an unsichere afghanische Militärs zu schicken. Auch die unkontrollierbare Lieferung von polizeilichen Ausrüstungsgegenständen wie Polizeipistolen samt entsprechender Munition wird abgelehnt.

Doch wo ein Wille, da ein Weg. Zitat aus einem Papier des Auswärtigen Amtes vom September 2007: »Im Rahmen der polizeilichen Ausstattung für andere Staaten werden allgemein keine Gegenstände geliefert, die zur Anwendung unmittelbaren Zwangs geeignet sind.« Soweit der Grundsatz. Weiter heißt es: »Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium beabsichtigen aber, künftig im Rahmen der deutschen Unterstützung für den Polizeiaufbau Afghanistans die afghanische Polizei auch mit solchen Zwangsmitteln auszustatten.« Es bleibt zwar beim Ausfuhrverbot für Schusswaffen und Munition, doch »Fesseln, insbesondere Stahlhandfesseln und Plastikhandfesseln« sowie »Schlagstöcke und Reizstoffe« will man auf den Weg zum Hindukusch schicken. Geplant ist auch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen für rund 500 Kabuler Bereitschaftspolizisten. Dabei wird nicht einmal Pfefferspray vergessen.

Bei derartigen Lieferungen lässt die Bundesregierung die Menschenrechtssituation im Empfängerland prüfen. Die Prüfung kann im Falle Afghanistan unmöglich positiv enden. Doch auch dann gibt es Umgehungsmöglichkeiten. Schließlich hat Rot-Grün auch dem Folterstaat Saudi-Arabien 69 Fußfesseln und Elektroschockgeräte geliefert. Und unter Schwarz-Rot hat man 2006 Libanon 100 »elektr. Viehtreiberapparate« zugestellt.

Interview Seite 4

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