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Brandenburg: Neue Partei BSW für alte Energie
Wagenknecht-Partei will in Brandenburg bei der Landtagswahl antreten
Die für Schwedt in der Uckermark typischen, für eine Stadt dieser Größe ungewöhnlich breiten Straßen sind zur Kommunal- und Europawahl am 9. Juni eingedeckt mit Plakaten. Eins davon, schon leicht demoliert, zeigt am Heinersdorfer Damm Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die bei keiner dieser Wahlen kandidiert, mit dem Slogan: »Europas Freiheit verteidigen!«
Im Turm-Hotel direkt dahinter gründet sich am Samstag der brandenburgische Landesverband einer neuen Partei, die in vielen Fragen das glatte Gegenteil der Grünen ist: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), dessen Namensgeberin die Grünen als Hauptfeind ausgemacht hat.
Wagenknecht ist in Schwedt bei der Gründungsversammlung persönlich nicht dabei. Sie ist aber, obwohl auch sie weder bei der Kommunalwahl noch der Europawahl antritt, auf Plakaten präsent – dort zu sehen gemeinsam mit Reinhard Simon. Der 72-Jährige war 29 Jahre lang Intendant der Uckermärkischen Bühnen Schwedt und kandidiert jetzt mit seinem BSW-nahen Bürgerbündnis Uckermark für Vernunft und Gerechtigkeit für den Kreistag. »Ich bin gegen das unsinnige überflüssige Erdölembargo«, wirbt Simon um Stimmen.
Sanktionen gegen Russland aufheben
In Schwedt hat das Thema eine große Bedeutung. Die Stadt lebt von der 1964 in Betrieb gegangenen PCK-Raffinerie. Die verarbeitete sibirisches Erdöl aus der Pipeline »Druschba« (Freundschaft) zu Benzin und Diesel. Doch am 1. Januar 2023 war damit Schluss. Die Bundesrepublik hatte sich wegen des Krieges in der Ukraine ein Importverbot für russisches Öl auferlegt. Die Raffinerie bezog seitdem Öl aus anderen Quellen über die Ostseehäfen Rostock und Gdańsk. Es kam aber auch noch Öl aus der Druschba-Leitung – nur jetzt kein russisches mehr, sondern kasachisches. Eine volle Auslastung wird damit allerdings nicht erreicht. Die Befürchtung, dass die Raffinerie mit ihren rund 1200 Beschäftigten aufgeben muss und die Stadt deswegen in ein tiefes Loch stürzt, hat sich zwar bislang nicht bewahrheitet. Die Gefahr ist aber nicht gebannt.
Das Thema wird nach der Gründung des BSW-Landesverbandes Brandenburg am Samnstagnachmittag kurz angeschnitten, als die als Gast gekommene Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali sagt, es sei Tatsache, dass die Sanktionen nicht Russland geschwächt haben, sondern die deutsche Wirtschaft.
»Die Brandenburger erlebten nach der Wende Deindustrialisierung und haben Angst, dass sich das wiederholt«, weiß der Landesvorsitzende Robert Crumbach.
Vorstand teils einstimmig gewählt
Von den 36 BSW-Mitgliedern in Brandenburg sind 33 im Turm-Hotel von Schwedt erschienen – vor allem alte Männer, aber auch ein 25-Jähriger und neun Frauen. Sie wählen Crumbach, der früher Referent der SPD-Landtagsfraktion war, mit 96,8 Prozent der Stimmen zum BSW-Landesvorsitzenden. Mit exakt demselben Ergebnis wird Niels-Olaf Lüders sein Stellvertreter. Sogar 100 Prozent Zustimmung erhalten der zweite Stellvertreter Andreas Kutsch, Landesgeschäftsführer Stefan Roth und Schatzmeister Jernou Chahin. Lüders, Kutsche und Roth haben genauso eine Vergangenheit in der Linken wie Templins Bürgermeister Detlef Tabbert und andere im neunköpfigen Vorstand sowie unter den übrigen Mitgliedern. Es gebe im Landesverband aber auch Mitglieder, die noch nie zuvor in einer Partei organisiert waren, berichtet Landesgeschäftsführer Roth.
Eine Vorgabe der Bundespartei besagt, dass die Landesverbände nicht zu schnell wachsen sollen. Die aufgenommenen Personen sind noch immer handverlesen und letztlich entscheidet die Bundesspitze, wer jetzt schon aufgenommen wird und wer nicht. Der Landesvorsitzende Crumbach verteidigt diese Verfahrensweise, obwohl viele Anhänger drängen, auch endlich eintreten zu dürfen. Er kenne jemanden von der Bundesschiedskommission einer anderen Partei, erzählt Crumbach. Der habe ihm gesagt, alle zu behandelnden Fälle rührten daher, dass man schon bei der Aufnahme der Leute einen Fehler gemacht habe. Das wolle das BSW vermeiden.
Wahlumfrage verspricht 13 Prozent
»Das ist ein historischer Tag für Brandenburg. Mit dem BSW ist zu rechnen«, sagt die Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali über den gegründeten Landesverband. Die jüngste Prognose verspricht ihm 13 Prozent bei der Landtagswahl am 22. September. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, befragte das Meinungsforschungsinstitut Insa im Auftrag von »Märkischer Oderzeitung«, »Märkischer Allgemeiner« und »Lausitzer Rundschau« vom 13. bis zum 21. Mai 1000 wahlberechtigte Brandenburger. Nach dem jetzt veröffentlichten Ergebnis würden 25 Prozent die AfD ankreuzen, je 19 Prozent die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke und die CDU, sieben Prozent die Grünen, sechs Prozent die Linke, fünf Prozent die Freien Wähler und drei Prozent die FDP.
Für den BSW-Landesgeschäftsführer ist der 26. Mai ein »Meilenstein«. Die weiteren Schritte sind die Anmeldung zur Landtagswahl, das Sammeln der dafür notwendigen 2000 Unterschriften, die Nominierung der Kandidaten und das Erarbeiten eines Wahlprogramms. Obwohl die Wagenknecht-Partei in Brandenburg erst 36 Mitglieder zählt und aktuell mit 13 oder mehr Landtagsabgeordneten rechnen darf, gebe es keine Schwierigkeiten, geeignete Leute zu nominieren, versichert Roth. Es seien bereits Gespräche geführt worden und man hätte genug Personen, die für drei Landeslisten reichen würden. Es gebe auch mehr als 1300 Unterstützer, die Unterschriften sammeln und Wahlkampf machen könnten.
»Ich habe Respekt vor der Aufgabe. Ich weiß, was alles vor uns liegt«, gesteht der Landesvorsitzende Crumbach. Seine Spitzenfunktion bedeute weder, dass er auf der Liste stehen werde, noch dass er nicht darauf stehen werde. »Ich bin nicht eitel. Ich brauche sowas nicht«, beteuert der 61-Jährige. Vor allem benötige er kurz vor seiner Pensionierung keine Versorgung als Abgeordneter. Er würde kandidieren, wenn es sich als notwendig erweist.
Einen Termin für die Aufstellung der Landesliste gibt es noch nicht. Ein Wahlziel wie zehn Prozent plus X möchte Crumbach nicht ausgeben. Er sagt lediglich: »Wir wollen in den Landtag – und das so stark wie möglich.«
Die Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali stellt klar: »Mit der AfD werden wir nicht koalieren. Das können wir jetzt schon ausschließen.« Mit den anderen Parteien würde das BSW reden.
Gegen vorgezogenen Kohleausstieg
Ein Wahlprogramm muss erst noch geschrieben werden. Crumbach nennt aber schon einige Stichworte wie Mittelstandsförderung, Wohnungsbau und Pflegeversicherung (»ganz wichtig«). Vor allem soll die Energieversorgung anders organisiert werden. Die CO2-Steuern seien ein völlig verfehltes Konzept. Ein Vorziehen des Braunkohleausstiegs komme mit dem BSW nicht infrage, erklärt der Landesvorsitzende.
Vereinbart ist bislang, dass im Lausitzer Revier und in der gesamten Bundesrepublik spätestens 2038 und eventuell schon 2035 das letzte Braunkohlekraftwerk vom Netz geht. Diskutiert wird aber immer wieder, das Ausstiegsdatum auf 2030 vorzuziehen.
Um 10 Uhr hat die Gründungsversammlung begonnen, um 14 Uhr ist sie bereits vorüber. Draußen Aufstellen fürs Gruppenfoto und schließlich Abreise.
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