»80 sind für uns 80 zu viel«, sagt Verfassungsschutzchef Jörg Müller[1] am Dienstag über islamistische Extremisten mit nordkaukasischer Herkunft, die in Brandenburg leben. Gleichzeitig warnt Müller davor, deren Landsleute unter Generalverdacht zu stellen. Geschätzt 50 000 Nordkaukasier leben in der Bundesrepublik, etwa 16 000 in Berlin und Brandenburg. Nur geschätzt werden kann diese Zahl, weil es keine Statistik darüber gibt. Es geht um Tschetschenen, aber auch um Menschen, die aus Dagestan oder Inguschetien stammen. Sie sind in der Regel russische Staatsbürger und stehen nur als solche im Melderegister.
Der Großteil halte sich von Extremisten fern[2], erklärt Innenminister Michael Stübgen (CDU). Aber von 220 Islamisten in Brandenburg seien 80 aus dem Nordkaukasus. Ihre Szene bilde den Nährboden für sich schnell radikalisierende Einzeltäter. Diese seien »gefährlich, schwer zu identifizieren und können erheblichen Schaden anrichten«. Stübgen verweist auf einen Ende Mai in Frankreich festgenommenen Tschetschenen. Er steht im Verdacht, er habe bei den Olympischen Spielen diesen Sommer in Paris einen Anschlag auf ein Fußballstadion verüben wollen. Doch Stübgen muss den Blick eigentlich nicht in die Ferne richten. Ende vergangenen Jahres schnappte die Polizei einen Tschetschenen aus Wittstock. Der 16-Jährige wollte einen Weihnachtsmarkt angreifen.
Der älteren Generation, die während der beiden Tschetschenien-Kriege in den 1990er Jahren nach Deutschland flüchtete, gehe es um die Unabhängigkeit ihrer Heimat von Russland, erläutert Verfassungsschützer Müller. Zwar seien auch sie Muslime. Doch der religiöse Gegensatz zu den russisch-orthodoxen Christen sei für sie nicht der entscheidende Punkt. Diese Kriege und der Separatismus seien für die jüngere Generation nordkaukasischer Extremisten aber nun weit weg. Sie neigen zum Islamischen Staat (IS) oder interessieren sich für die palästinensische Hamas. Einige fallen nicht nur damit auf, sondern sind der Polizei wegen Diebstählen und Körperverletzungen bekannt.
»Die konsequente Abschiebung von schweren Straftätern ist eine zwingende Notwendigkeit, greift aber zu kurz«, sagt Innenminister Stübgen. Er spricht von der Notwendigkeit, Jugendlichen eine Perspektive jenseits des Extremismus zu geben. Nordkaukasier abzuschieben, sei derzeit praktisch auch fast unmöglich, weiß Stübgen. Die wegen des Krieges in der Ukraine gestörten diplomatischen Beziehungen zu Russland lassen das nicht zu. Durch tiefgreifende Analyse könnten mögliche Terroristen frühzeitig identifiziert werden. Brandenburgs Verfassungsschutz hat in den vergangenen zwei Jahren an so einer Analyse gearbeitet. Sie umfasst mehr als 100 Seiten. Der Geheimdienst hat Spitzel in der Szene. Wie viele, das verrät er nicht.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182884.brandenburg-islamisten-aus-tschetschenien.html