Die Nachhaltigkeitsforschung hat ein neues Sorgenkind: die Landtagswahlen in Ostdeutschland[1]. Seit Beginn dieses Jahres schwebten die Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg wie ein Damoklesschwert über dem Klimaschutz, hing doch von ihren jeweiligen Ausgängen ab, ob größere Strukturwandelprojekte – wie der Kohleausstieg in Brandenburg – wie geplant weitergeführt, beschleunigt oder grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Nach der Wahl ist es nun wie vor der Wahl, zumindest, was die Existenz des Damoklesschwerts angeht: Die Zukunft bleibt – nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit – ungewiss, und das Schwert kann weiterhin jederzeit niedergehen. Denn: Es wird zwar keine Landesregierungen mit der AfD geben, die sich als einzige Partei ganz klar gegen den Klimaschutz stellt und alle dahingehenden politischen Strategien und Beschlüsse am liebsten rückabwickeln will. Dennoch wird es in jedem Bundesland auf komplizierte und vor allem ungewohnte Koalitionen hinauslaufen, die im Hinblick auf klimapolitische Ambitionen mindestens ambivalent, wenn nicht sogar riskant[2] sind.
Das liegt vor allem daran, dass das BSW klimapolitisch eine Black Box ist. Zwar wird der Klimawandel nicht wie im Fall der AfD geleugnet, in der Rhetorik werden aber ähnliche affektive Narrative bedient: Klima- und Umweltpolitik seien laut BSW vor allem ideologisch getrieben, auf Verbote ausgerichtet und ein Elitenprojekt, das dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entgegenstehe. Dabei wird nicht nur ein vermeintlicher Mehrheitswille instrumentalisiert, er wird auch noch falsch zitiert. Denn (noch) ist eine Mehrheit der Bevölkerung besorgt über den Klimawandel und unterstützt politische Projekte wie Energie- und Verkehrswende[3]. Populistisch bedient werden auch Affekte, indem emotional aufgeladene Begriffe (Heizungsgesetz als »Angriff«) genutzt werden, um komplexe politische Realitäten zu vereinfachen und zu verzerren.
Ich möchte damit nicht sagen, dass sich alle Wähler*innen von BSW und AfD instrumentalisieren lassen oder ihr Kreuz im Affekt gesetzt haben. Allerdings werden einige Paradoxien deutlich, die zumindest diesen Verdacht aufkommen lassen. Eine Paradoxie besteht darin, dass einige Menschen mit ihrer Wahl ihren Protest gegen die derzeitige Regierung ausdrücken wollten. Sie haben also von ihrer demokratischen Wahlfreiheit profitiert, dabei aber Parteien gewählt, die mindestens eine gewisse Autokratie-Affinität aufweisen. Paradox ist auch, dass sich BSW (wie AfD) rhetorisch um wirtschaftlich benachteiligte Gruppen bemühen, wirtschaftspolitisch aber Programme vertreten, die neoliberale Tendenzen beinhalten oder zumindest wenig konkrete Lösungen für strukturelle soziale Probleme bieten. So fokussieren beide auf Stärkung der Wirtschaft und Investitionen in Technologien zur Lösung sozialer (und auch Klima-)Fragen, was bestehende Machtverhältnisse eher zementiert, statt sie zu verändern. Und nicht zuletzt sind einkommenschwache Gruppen meist am stärksten von den negativen Folgen des Klimawandels betroffen, was die klimapolitische Black Box BSW weder wahrzunehmen noch strategisch irgendwie zu berücksichtigen scheint.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185562.bsw-im-osten-black-box-klimapolitik.html