Willi Stoph: Ich beantrage den Rücktritt unseres werten Genossen Erich Honecker aus Gesundheitsgründen. +++ Kurt Hager: Ich unterstütze den Antrag. Wir haben eine Erwartung zu erfüllen. +++ Alfred Neumann: Wessen? Die Lage ist so beschissen, wie sie noch nie war. Und ich hab keine Klorolle mehr. +++ Horst Sindermann: Nimm die »Prawda«, wir wissen alle, dass du seit Jahrzehnten Zuträger für Moskau bist. Jetzt aber stimme dem Beschluss zu, es geht nicht um deinen Hintern. +++ Hermann Axen: Ich habe schon nächtelang nicht mehr geschlafen. Der »Abendgruß« hilft nicht mehr, sogar Genosse Sandmann versagt. +++ Günter Mittag: Honecker hat das Vertrauen der Partei verloren. Ich bin bereit, zu übernehmen, für eine Flasche »Kumpeltod«. +++ Horst Dohlus: Wir brauchen Maßnahmen. Hat jemand von euch ein Maßband dabei? +++ Günther Kleiber: Die Medien sind schuld. Sie sind immer schuld. +++ Joachim Herrmann: Wir brauchen eine Berichterstattung, die dem Leben gerecht wird. Da darf auch mal offen gesagt werden, dass die Prachttreppe im Vestibül des »ND« nur vom Chef für Agitation benutzt werden darf, nämlich von meiner Wenigkeit. Ich stehe dazu. Steht mir aber auch zu, schließlich war ich mal Chef des Ladens. +++ Gerhard Müller: Es ist 5 Minuten vor 12. Können wir die Uhr nicht zurückstellen? Alles auf Anfang. +++ Gerhard Müller: Wir bauen Schleifmaschinen – wo bleiben diese? +++ Erich Mielke: Ein Teil der Dinge ist Feindtätigkeit. Wir müssen den Menschen sagen, dass wir sie lieben. +++ Egon Krenz: Signale hat es gegeben. Wir können dem Volk nicht zumuten, dass die gewohnte Kontinuität gebrochen wird. +++ Günter Schabowski: Viel hängt morgen von dir ab, Egon. Die Medienfrage ist eine ganz zentrale Frage. Nicht Hosenscheißer-Art … +++ Zwischenruf Neumann: Vor allem, wenn es kein Klopapier gibt. +++ Schabowski: Die Thesen von Otto Reinhold kann man vergessen: Das ist alles verwaschenes Zeug! +++ Erich Honecker: Ich will auch mal was sagen: Der Gegner differenziert uns auseinander. Es gibt eine Doppelzüngigkeit der Kirche. Mit der Ablösung von Kadern bin ich nicht einverstanden. Ich sage das nicht als geschlagener Mann, sondern als Genosse, der bei voller Gesundheit ist. Wir haben Kapazitäten für eine Million Telefone. Geben wir sie dem Volk, und es wird zufrieden sein. Howgh, ich habe gesprochen!
Geheimer Mitschnitt von der SED-Politbüro-Sitzung vom 17. Oktober 1989; am folgenden Tag wurde der Rücktritt von Erich Honecker und die Inthronisation von Egon Krenz zum Partei- und Staatschef verkündet.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186131.vor-jahren-protokoll-einer-tagung.html