Marco Rose konnte sich im Gespräch vor dem Spitzenspiel von RB Leipzig beim FC Bayern[1] recht entspannt den Freuden der Vorweihnachtszeit zuwenden. Vor dem Duell an diesem Freitagabend plauderte der RB-Trainer zum Abschluss des Fußballjahres über rührende Begegnungen beim Weihnachtsmarktbesuch, die Geschenksituation im Hause Rose und gutes Essen vor der Fastenzeit. Die Entspannung nach den schweren Wochen war am Cottaweg förmlich zu greifen. Dabei stand es zu Beginn der Adventszeit noch schlecht um Roses Zukunft in seiner Heimatstadt.
Im rabenschwarzen November hatten die Leipziger kein einziges Spiel gewonnen, stattdessen bis auf das magere 0:0 gegen Mönchengladbach alle Partien verloren und waren mit null Punkten aus sechs Partien krachend vorzeitig aus der Champions League ausgeschieden[2]. Das sind die Leipziger, deren bisherige Kluberzählung eine einzige Aufstiegsgeschichte ist, nicht gewohnt – eine solche Talsohle gab es bei RB noch nie. Beim 1:5-Heimdebakel gegen den VfL Wolfsburg brach das Team komplett in sich zusammen. Gemessen an der bisher kurzen Zündschnur des zum Red-Bull-Boss[3] aufgestiegenen Entscheiders Oliver Mintzlaff musste man danach davon ausgehen, dass Rose seinen Job los ist.
Doch angesichts der Umstände mit bis zu neun verletzten Spielern, seines Standings im Klub und in der Stadt sowie der Rückendeckung aus der Mannschaft bekam der einzige ostdeutsche Trainer der Bundesliga weiter Kredit. Aufsichtsratschef Mintzlaff und Sportchef Marcel Schäfer wollten Rose auch im Amt halten, um keine Tatsachen zu schaffen, bevor Jürgen Klopp[4] am 6. Januar bei Red Bull als neuer Fußball-Gesamtverantwortlicher beginnt. Beide verbinden bekanntlich gemeinsame Mainzer Jahre, als der Trainer Klopp mit dem Führungsspieler Rose in der Bundesliga reüssierte.
Und Rose rechtfertigte das Vertrauen, indem er um seinen Job kämpfte, die richtigen Maßnahmen ergriff und das Ruder vorerst vor allem mit zwei Siegen gegen Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal und in der Liga herumriss. Das gelang, indem er die Krise besonnen moderierte und kreative Lösungen fand, weil keine Experten mehr für die jeweiligen Positionen verfügbar waren. Dass er etwa Spielmacher Antonio Nusa zum Flügelverteidiger umschulte, weil David Raum wochenlang fehlte, und Sechser Nicolas Seiwald rechten Innenverteidiger spielen lässt, ging auf.
Rose verordnete RB wieder mehr Kompaktheit, indem er gegen den Ball auf einen tiefen 5-3-2-Block setzte und die RB-Spielidee weniger dominant, sondern eher puristisch anlegte. So half er seinen verunsicherten und überspielten Profis, wieder zur Leipziger DNA zurückzufinden. Gegen Frankfurt war in beiden Spielen wieder jenes überfallartige, aber dennoch präzise Umschalten zu sehen, das RB in guten Spielen unter Rose eigentlich auszeichnet.
Entscheidend dafür ist ein Spieler, der nach siebeneinhalb Monaten Ausfallzeit nach einem Kreuzbandriss wieder für Balleroberungen, Vorwärtsdrang und Stabilität zugleich sorgt: Xaver Schlager. Rose verglich die Bedeutung des Taktgebers aus Österreich für RB jüngst mit der von Ballon-d’Or-Gewinner Rodri[5] für Manchester City. Und tatsächlich wurde in der Krise von Match zu Match deutlicher, wie sehr Schlager in der Spielsteuerung fehlte.
Kurzfristiges Unheil hat Rose nun fürs Erste abgewendet. Doch er weiß genau, dass er in der Rückrunde auf Bewährung arbeitet. Schließlich will sich RB nicht mit dem Status quo als Champions-League-Teilnehmer und Ausbildungsklub für Europas Toptalente zufriedengeben, sondern mit Klopp mittelfristig auch die Meisterschaft und Europas Top acht anpeilen.
»Die Sehnsucht, der Wunsch, die Ambitionen sind immer da. Es ist ja nur normal, dass die Fans anfangen zu träumen und man selbst auch Blut leckt und mehr möchte«, schilderte Rose. Er wolle sich an diesen Zielen messen lassen, wenn alle Spieler wieder gesund sind. »Dann ist auch ein Trainer klarer abrechenbar, dann musst du Topspiele ebenso wie die kleinen Spiele gewinnen, und dann kann man sehen, wofür es mit Euphorie, Stadion und Flow reichen kann«, führte der 48-Jährige aus, betonte jedoch: »Aber davon sind wir gerade ein ganzes Stück weg.«
Doch ohne Dreifachbelastung, mit Verstärkungen in der Winterpause, fittem Kader und Klopps Expertise dürfte der Red-Bull-Klub in der Rückrunde auftrumpfen. Wenn das so kommt, ist nicht ausgeschlossen, dass Rose auch zum nächsten Weihnachtsfest noch im Amt ist.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187702.fussball-rb-leipzig-geht-entspannt-ins-topspiel.html