Mit den Worten »ein starker Friedrich Merz für ein starkes Deutschland« wurden die CDU-Delegierten am Eingang der Parteitagshalle zum 37. Parteitag begrüßt. Wie stark Merz nach der vergangenen Woche[1] noch als Kandzlerkandidat dasteht, daran gibt es Zweifel. Zumindest die Hauptstadtpresse scheint sich einig: Der Unionschef hat sich mit seinem gemeinsamen Votum mit der AfD verzockt, er ging als Verlierer aus seinem riskanten Wahlkampfmanöver hervor. Noch dazu: Über 160 000 Menschen demonstrierten am Wochenende[2] in der Hauptstadt gegen die Union.
Bei diesem Parteitag, mit dem die CDU vier Wochen vor den Bundestagswahlen die heiße Wahlkampfphase einläutet, gilt also: maximale Geschlossenheit zeigen. Für die Unionsmitglieder kein Problem: Zum einen sind sie ohnehin für Parteitagsdisziplin bekannt – man könnte auch sagen Obrigkeitshörigkeit. Zum anderen scheint Merz bis auf wenige Ausnahmen aus dem liberalen Flügel tatsächlich breite Unterstützung für sein Manöver zu haben.
Bedauern oder gar Kritik am Brandmauerbruch? In der Parteitagshalle war am Montag nichts dergleichen zu vernehmen. Ganz im Gegenteil, man zeigte sich betont stolz, dass der Parteivorsitzende Merz vor dem Druck von links nicht eingeknickt ist: »Wir stehen zu unseren Überzeugungen, auch dann, wenn es Sturm gibt.« Gleichzeitig betonte Friedrich Merz die Distanz zur AfD. »Ich kann den Wählerinnen und Wählern in Deutschland eines klar versichern: Wir werden niemals mit der AfD zusammenarbeiten«, sagte Merz drei Tage, nachdem die CDU mit der AfD ein Gesetz hatte verabschieden wollen.
Das Wort »Brandmauer« war in der Parteitagshalle allerdings nicht erwünscht. Während der Merz-Rede hielten Greenpeace-Aktivisten ein Schild mit dem Begriff still in die Höhe. Sofort kam Security und versuchte, den Aktivisten die Buchstaben aus der Hand zu reißen, dann wurden sie mitsamt ihrer Brandmauer aus dem Saal geführt. »Wir können keine Zusammenarbeit mit Extremisten zulassen«, begründete einer der Aktivisten die Aktion gegenüber »nd«.
Aus Sicht der CDU ist ganz klar: SPD und Grüne sind Schuld daran, dass erstmals ein Bundestagsbeschluss durch Stimmen der AfD möglich gemacht wurde. Für das, was die Merhheit der Menschen in Deutschland wolle, habe es im Parlament nur deshalb keine Mehrheiten gegeben, weil Rot-Grün nicht mitgestimmt habe. Von Anfang an sei es der SPD bei der Sache nur um Wahlkampf gegangen, kritisiert der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. »Das ist niederträchtig. Das macht man nicht.«
Aber, mahnt der Wahlkampfleiter, 20 Tage vor den Bundestagswahlen komme es nicht nur darauf an zu zeigen, was die Konkurrenz schlecht macht. »Wir müssen jetzt verstärkt sagen, was wir besser machen wollen als die anderen.« Was die CDU besser machen will, fasst sie in ihrem Sofortprogramm zusammen, das der Parteitag einstimmig verabschiedete.
Neues steht in dem Papier nicht, Fokus sind die Kernthemen, mit denen die CDU von Anfang an in den Wahlkampf gegangen ist: Deutschland soll »wieder nach vorne«, lautet das Motto, mit Wirtschaftswachstum, mehr Sicherheit und Migrationsbegrenzung. Und wie soll das genau funktionieren?
Neben dem Fünf-Punkte-Plan von Merz mit dauerhaften Grenzkontrollen, Zurückweisungen an den Grenzen und einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder will die CDU das am Freitag im Bundestag gescheiterte »Zustrombegrenzungsgesetz« weiter verfolgen. Ob und wie etwa die dauerhaften Grenzkontrollen tatsächlich umgesetzt werden können, ist unklar. Nicht nur würden diese dem EU-Recht widersprechen. Glaubt man der Bundespolizei, fehlen schlichtweg die Ressourcen für Kontrollen der 4000 Kilometer langen Außengrenze.
Eine Begrenzung der Migration wird als klares Gesetzesziel genannt, ebenso das Ende des Familiennachzugs für subsidiär – also eingeschränkt – Schutzberechtigte und mehr Befugnisse für die Bundespolizei. Die CDU will laut Sofortprogramm zudem so schnell wie möglich die »Express-Einbürgerung der Ampel rückgängig« machen.
Im Bereich Wirtschaftspolitik stehen Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürokratieabbau im Mittelpunkt. An erster Stelle sieht das Programm vor, dass Stromsteuer und Netzentgelte so gesenkt werden, dass Unternehmen pro Kilowattstunde um fünf Cent entlastet werden. Das Lieferkettengesetz und das Energieeffizienzgesetz der Ampel-Regierung sollen abgeschafft werden, um Bürokratie abzubauen, genauso auch das Heizungsgesetz. Die Agrardieselrückvergütung dagegen soll nach Vorstellung der CDU wieder vollständig eingeführt werden.
Auch Arbeitnehmende sollen profitieren – also zumindest dann, wenn sie mehr arbeiten, als es ihr Arbeitsvertrag vorsieht. Anstelle einer täglichen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt und so »flexibleres Arbeiten« ermöglicht werden. Wer Überstunden macht, soll mehr Netto vom Brutto bekommen, Überstundenzuschläge sollen steuerfrei gestellt werden. Und wer in der Rente freiwillig mehr arbeiten will, soll ein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei bekommen.