Klimawandelleugnung ist ein weltweites Phänomen. Ein stetig wachsendes Netzwerk aus Unternehmen, Thinktanks und Interessenverbänden gibt jedes Jahr Millionen aus, um Zweifel an den menschengemachten Klimaveränderungen zu säen. Das Herz dieser »Gegen-Klimabewegung« – ein Begriff, den der Soziologe Robert Brulle geprägt hat – liegt nach wie vor in den USA. Von rund 550 Organisationen des Netzwerks stammen über 60 Prozent aus den Vereinigten Staaten. Mittlerweile gibt es aber in über 50 Ländern mindestens eine Organisation mit dem Ziel, Klimaschutz zu verhindern.
Woher kommt diese Bewegung? Mit Blick auf die USA war die einfache wie überzeugende Erklärung bislang: Um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu schützen, schüren interessierte Kreise aus der fossilen Industrie Skepsis gegenüber dem menschengemachten Klimawandel. Diverse sozialwissenschaftliche Studien belegten genau diesen Zusammenhang. In einer breit angelegten Netzwerk- und Textanalyse konnte eine Studie aus dem Jahr 2015 nachweisen, dass populäre klimaskeptische Narrative, verbreitet in der US-Öffentlichkeit, auf eine kleine Gruppe von Organisationen zurückzuführen waren, die wiederum in einer engen Beziehung zur fossilen Privatwirtschaft standen.
Ganz so einfach ist die Frage nach dem Warum aber wohl nicht mehr zu beantworten, wie eine Forschungsgruppe um den Stanford-Soziologen Jared Furuta zeigt. Die zunehmende Internationalisierung des Netzwerks könne nicht allen durch fossile Geschäftsinteressen erklärt werden, heißt es in ihrer vor wenigen Tagen im Fachjournal »Plos One« erschienenen Studie. Erstens folge die Bewegung nicht mehr nur klassisch konservativen oder wirtschaftlichen Interessen. Die Anti-Klimaschutz-Bewegung sei »jetzt Teil eines umfassenderen Kulturkampfes mit populistischen und wissenschaftsfeindlichen Dimensionen, der durch die allgemeine Erosion der internationalen liberalen Ordnung geprägt ist«, schreiben die Forscher*innen. Und zweitens gebe es selbst in Ländern ohne oder mit kaum eigener fossiler Produktion wie Neuseeland, Schweden oder Burkina Faso mittlerweile Anti-Klimaschutz-Organisationen.
Um das wachsende Netzwerk besser zu verstehen, analysierten die Forschenden Hunderte solcher Organisationen in über 160 Ländern. Überraschenderweise erhöhen laut der Analyse weder die Wirtschaftsstärke noch die Höhe der Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen oder die Öleinnahmen eines Landes die Wahrscheinlichkeit für die Existenz einer klimawandelskeptischen Organisation. Stattdessen entstünden sie vor allem in Ländern mit einer ambitionierten Klimapolitik und einer einflussreichen Umweltbewegung. Offenbar rufen die politischen Anstrengungen für eine nachhaltige Gesellschaft eine Gegenreaktion hervor. Diese habe ein größeres Mobilisierungspotenzial als tatsächliche ökonomische Sorgen durch fossile Ressourcenabhängigkeit, erläutern die Autor*innen. Das Konzept des »Double Movement« ist nicht neu und wurde schon in anderen Kontexten beschrieben: Je stärker sich eine Gesellschaft für etwas engagiert, desto größer ist das Potenzial für die Entstehung einer Gegenbewegung.
Ganz getrennt lässt sich dieser reaktionäre Reflex aber nicht vom Interesse wichtiger Akteur*innen betrachten, ihre politische und wirtschaftliche Macht zu erhalten. Vielmehr ist es das Ziel populistischer Narrative, die ihren Ursprung in den klassischen, fossil finanzierten Thinktanks haben, Deutungshoheit in der Öffentlichkeit zu erlangen oder zu erhalten. [1]Wer Zweifel sät, hofft darauf, dass sie in einem Teil der Gesellschaft Wurzeln schlagen.
Die Studie widerlege nicht den Einfluss der fossilen Industrie, betont Johanna Siebert von der Denkfabrik Progressives Zentrum. Doch auch für die Politökonomin ist die Leugnung des Klimawandels mittlerweile Teil eines breiteren Kulturkampfes.
Auch in Deutschland gibt es mit der Lobbyorganisation Europäisches Institut für Klima und Energie (EIKE) und einigen Einzelpersonen wie den beiden ehemals beim Energiekonzern RWE angestellten Publizisten Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning umtriebige Figuren der Szene. Ihr bislang geringer Einfluss wächst mit der allgemeinen politischen Rechtsentwicklung[2]: »Die AfD macht jenen, die auch aus gutem Grund Sorge vor den sozialen Auswirkungen der Transformation haben, ein politisches Angebot und unterfüttert die Ängste der Menschen mit klassischen Leugner-Narrativen: Der Klimawandel ist nicht menschengemacht oder Klimaschutz ein grünes Ideologieprojekt«, erläutert Siebert. Daher trügen auch die Mitte-Links Parteien eine Mitschuld. Indem sie die sozialen Folgen der aktuellen Klimapolitik kaum thematisierten, überließen sie das Thema den Rechten.
Die Studienautor*innen aus den USA schließen aus ihren Ergebnissen: Klimapolitische Maßnahmen müssten auch danach beurteilt werden, inwiefern sie eine erwartbare Gegenreaktion auslösen. Johanna Siebert wird konkreter: »Es braucht eine linke Kritik an den sozialen Herausforderungen der Transformation. Anstatt gegen die Akteur*innen von Klimaschutz müsste sich die Wut gegen die Verursacher der Klimakrise und die ungerechte Verteilung der Kosten von Klimaschutz richten.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188776.umweltpolitik-treibstoff-der-klimawandelleugner.html