nd-aktuell.de / 07.11.2007 / Politik / Seite 8

Rumänen in Italien unerwünscht

Ressentiments gegen größte Einwanderergruppe wachsen

Anna Maldini, Rom
Die Beziehungen zwischen den EU-Staaten Italien und Rumänien haben sich in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert. Italien weist rumänische Einwanderer aus – Rumänien ist über Rassismus und italienischen Aktionismus verärgert.

Nach dem harten Vorgehen Italiens gegen rumänische Einwanderer hat die Europäische Kommission die Regierung in Rom aufgefordert, das Recht auf freie Niederlassung zu wahren. EU-Innenkommissar Franco Frattini sagte am Montag, nach den EU-Vorschriften dürfe es keine »Gruppenausweisungen« geben. Italiens Ministerpräsident Romano Prodi hingegen bezeichnete das Vorgehen der italienischen Behörden in einem offenen Brief in der Tageszeitung »Il Messaggero« als »notwendig« und »fair«, warnte jedoch davor, »ein gesamtes Volk« zu kriminalisieren. »Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz sind nicht Teil unserer Werte und unserer Kultur.«

Am vergangenen Sonnabend hatten die Behörden von Rom, Mailand, Genua und Florenz nach Polizeikontrollen vor allem in Roma-Siedlungen rund 38 Ausweisungen angeordnet. Die Regierung in Bukarest protestierte daraufhin heftig gegen das Vorgehen.

Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu unterstrich, dass er jede Form der Gewalt verurteilt, egal ob sie von Rumänen verübt werde, die in Italien leben, oder ob sie sich gegen Rumänen richte. Ministerpräsident Calin Popescu-Tariceanu will am Mittwoch in Rom mit seinem Amtskollegen Romano Prodi »gemeinsame Lösungen für ein gemeinsames Problem« suchen. Man will die Zusammenarbeit zwischen italienischer und rumänischer Polizei verstärken und die soziale Integration der Rumänen in Italien vorantreiben.

Auslöser der Eskalation war der Tod einer 47-jährigen Italienerin. Vergangene Woche wurde die Frau eines Marineoffiziers in Rom von einem 24-jährigen Roma aus Rumänien überfallen. Giovanna Reggiani wurde ausgeraubt, niedergeschlagen und einen Abhang hinuntergeworfen. Durch Italien ging daraufhin eine Welle der Entrüstung, die nicht selten in regelrechten Rassismus umschlug. Zwei Tage nach der Tat überfiel eine faschistische Schlägerbande einige Rumänen vor einem Supermarkt in Rom – drei Männer wurden zum Teil schwer verletzt.

Nur wenige Stunden nach dem Mord an Giovanna Reggiani erließ die Regierung ein Dekret, das es der Polizei ermöglicht, EU-Bürger auszuweisen, wenn diese »die öffentliche Ordnung« gefährden. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt jedoch unklar. Gefährdet ein Rumäne die öffentliche Ordnung, wenn er keiner geregelten Tätigkeit nachgeht und keinen festen Wohnsitz hat? Bukarest bezeichnet das Dekret als eine »improvisierte Maßnahme, die Ängste und Hass schüren kann«.

Italiens Rechte fordert indes noch drastischere Maßnahme, bis zum Einreisestopp für Rumänen. Die Lega Nord will sogar Bürgerwehren organisieren, um »mehr Sicherheit auf unseren Straßen« zu erreichen.

Etwa 600 000 Rumänen bilden derzeit die größte Ausländergruppe in Italien. Viele sind in diesem Jahr gekommen – nachdem Rumänien die Vollmitgliedschaft in der EU erlangt hat –, um hier eine bessere Zukunft zu finden. Die Männer arbeiten häufig auf dem Bau, die Frauen als Haushaltshilfen oder als Pflegerinnen alter Menschen, die ihre Wohnungen nicht mehr verlassen wollen oder können. Stark erhöht hat sich aber auch die Zahl der Roma mit rumänischem Pass. Und wie fast überall in Europa gibt es in Italien Ressentiments gegen »die Zigeuner«.

In den Großstädten und vor allem in Rom – Hauptziel der rumänischen Emigration – sind Barackenlager entstanden. Regelrechte Elendsviertel mit Wellblechhütten, ohne sanitäre Einrichtungen, ohne Strom und fließendes Wasser. Die Versuche der Stadtverwaltung, Ordnung in das Chaos zu bringen, sind gescheitert und gerade in der Nähe der Baracken häufen sich Diebstähle und Wohnungseinbrüche. Die »gefühlte Unsicherheit« ist groß, obwohl Rom in der Verbrechensstatistik einen der hinteren Plätze einnimmt.